Datum: 25. August 2023

Gericht: Saarländisches OLG Saarbrücken

Spruchkörper: 1. Zivilsenat

Entscheidungart: Urteil

Aktenzeichen: 1 U 100/22

ECLI: ECLI:DE:OLGSL:2023:0825.1U100.22.00


Vorinstanz: LG Saarbrücken, Urteil vom 19. September 2022 - 16 O 103/17

Krankenhausaufnahmevertrag: Beschränkung der Einwilligung in einen ärztlichen Eingriff auf einen bestimmten Arzt

 

Leitsatz

1. Bei Abschluss eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages steht grundsätzlich dem Krankenhausträger das Recht zu, sich für die Behandlung seines gesamten Personals zu bedienen.(Rn.46)

 

2. Will der Patient, der keinen Arztzusatzvertrag geschlossen hat, seine Einwilligung dennoch auf einen bestimmten Operateur beschränken, muss er dies eindeutig zum Ausdruck bringen und ggf. auch beweisen.(Rn.46)

 

3. Über die Anwesenheit eines Medizinprodukteberaters während einer Operation muss der Patient jedenfalls dann nicht aufgeklärt werden, wenn dieser nicht in die Heilbehandlung involviert ist, sondern ihm aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis quasi als „lebende Gebrauchsanweisung“ lediglich eine das medizinische, insbesondere das die Instrumente anreichende OP-Personal im Hinblick auf die effektive und sichere Handhabung unterstützende Funktion zukommt.(Rn.65)

 

4. Einer nicht den Voraussetzungen des § 630f Abs. 1 BGB entsprechenden elektronischen Dokumentation kommt zwar keine positive Indizwirkung zu, sie ist jedoch als tatsächlicher Umstand vom Gericht kritisch zu würdigen und in seine Überzeugungsbildung einzubeziehen.(Rn.78)

 

Orientierungssatz

1. Zitierung zu Leitsatz 2: Anschluss BGH, Urteil vom 11. Mai 2010 – VI ZR 252/08.(Rn.46)

2. Zitierung zu Leitsatz 4: Anschluss BGH, Urteil vom 27. April 2021 – VI ZR 84/19.(Rn.78)

 

Verfahrensgang
vorgehend LG Saarbrücken, 19. September 2022, 16 O 103/17

 

Tenor

I.   Die Berufung des Klägers gegen das am 19.09.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken – 16 O 103/17 – wird zurückgewiesen.

 

II.  Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten.

 

III. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A.

1   Der Kläger nimmt die Beklagten aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau, der Zeugin S. K., wegen zweier im Oktober und November 2015 in der Klinik der Beklagten zu 1 durchgeführter Bandscheibenoperationen auf Zahlung von Schmerzensgeld, Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden und weiterem Schadensersatz sowie auf Feststellung der Ersatzpflicht für alle materiellen und immateriellen Schäden in Anspruch. Er stützt sein Schadensersatzbegehren auf die wegen fehlender ordnungsgemäßer Aufklärung rechtswidrige Durchführung der beiden Operationen und behauptet Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Durchführung der Operationen und der postoperativen Nachbehandlung nach der 1. Operation.

 

2   Die am 13.02.1975 geborene und gesetzlich krankenversicherte Zeugin K. wurde seit dem Jahr 2011 wegen eines Bandscheibenvorfalls L5/S1 durch verschiedene Ärzte behandelt, unter anderem wurde sie invasiv durch Infiltration, manuelle Therapie und Krankengymnastik behandelt, ebenso nahm sie 2 ambulante Rehamaßnahmen von jeweils 4 Wochen wahr.

 

3 Wegen persistierender Schmerzen suchte sie im Mai 2015 und am 01.09.2015 den Beklagten zu 2, der auch in der Gemeinschaftspraxis Dres. M.-T./Sch.,, tätig war, auf, wobei auch die Frage einer operativen Behandlung des Bandscheibenvorfalls L5/S1 erörtert wurde. Nachdem die Zeugin K. zunächst die konservative Therapie fortsetzen wollte, wurde bei dem Termin am 01.09.2015 nochmals die operative Vorgehensweise thematisiert. In diesem Zusammenhang erläuterte der Beklagte zu 2 die Vorgehensweise bei einer Sequestrektomie, wobei die Zeugin K. die Frage nach der Möglichkeit eines Aufbaus durch Eigenzellen zwecks Erhaltung der Bandscheibenhöhe aufwarf, die sich nach Aussage des Beklagten zu 2 jedoch nicht etabliert hat. Es wurde sodann die Möglichkeit der Verwendung eines Barricaid-Implantats zum Anulus-Verschluss erörtert, entsprechendes Informationsmaterial wurde der Zeugin zur Verfügung gestellt. Es wurde sodann ein Operationstermin für den 07.10.2015 vereinbart, dem am 05.10.2015 ein Aufklärungsgespräch mit dem Beklagten zu 3 anhand des Aufklärungsbogens (Anlage K3) vorausging.

 

4 Am 07.10.2015 wurde bei der Zeugin K. eine Sequestrektomie L5/S1 rechts mit Wurzeldekompression S1 über erweiterte Fenestratio L5/S1 rechts mit Foraminotomie (Erweiterung des Nervenaustrittskanals) und Implantation eines Anulusersatzes Barricaid 10 mm in der Klinik der Beklagten zu 1 vom Beklagten zu 3 als Operateur und der Beklagten zu 4 als Assistentin und in Anwesenheit eines Medizinproduktberaters durchgeführt. Der Beklagte zu 2 ist in dem Operationsbericht als Assistenz II aufgeführt. Nach der Operation klagte die Zeugin K. über erhebliche Schmerzen, die mit Cortison behandelt wurden. Am 13.10.2015 wurde sie aus der stationären Behandlung entlassen.

 

5 Wegen persistierender erheblicher Schmerzen stellte sich die Zeugin K. am 20.10.2015 bei dem Beklagten zu 2 in der Gemeinschaftspraxis am B. vor. Dieser ordnete die Durchführung eines MRT und eines CT der LWS an. Danach wurde für den 04.11.2015 ein Termin zur Revisionsoperation angesetzt. Am 03.11.2015 fand ein Aufklärungsgespräch mit dem Beklagten zu 6 und später noch ein weiteres mit dem Beklagten zu 3 statt.

 

6 Bei der von dem Beklagten zu 2 als Operateur und dem Beklagten zu 3 als Assistent des Operateurs durchgeführten Revisionsoperation wurde ein kleiner Sequester bei Arthrektomie (Gelenksresektion) L5/S1 rechts entfernt mit Resektion des Längsbandes um das Bandscheibenfach und eine Korrektur des Barricaid-Implantats mit Mikrotechnik vorgenommen. Am 10.11.2015 wurde die Zeugin K. aus der stationären Behandlung entlassen. In der Folge klagte sie weiterhin über starke Schmerzen.

 

7 Am 16.09.2016 wurde in Heidelberg eine Versteifungsoperation durchgeführt. Zwischenzeitlich wurde die Zeugin K. wegen voller Erwerbsminderung berentet und ein Gesamt-GdB von 50 % ab dem 01.02.2017 anerkannt.

 

8 Der Kläger hat behauptet, die Einwilligung seiner Frau habe sich – auch soweit es um das Barricaid-Implantat ging – allein auf eine Operation durch den Beklagten zu 2 persönlich bezogen. Von einem anderen Arzt der Beklagten zu 1 hätte sie die Operation nicht durchführen lassen. Auch sei sie weder über Behandlungsalternativen noch über die besonderen Risiken im Hinblick auf das Einsetzen des Barricaid-Implantats noch über die Anwesenheit eines Medizinproduktberaters – bei Kenntnis von der Notwendigkeit von dessen Anwesenheit hätte sie keinesfalls in die OP eingewilligt – aufgeklärt worden. Im Übrigen habe die Empfehlung des Einsatzes des Barricaid-Implantats dem Facharztstandard widersprochen und der Beklagte zu 3 sei zu dem Einsatz des Implantats nicht befähigt gewesen. Zudem hat er eine Fehlplatzierung des Barricaid-Implantats – Überstand von ca. 7 mm in den Spinalkanal –, die Wahl einer falschen Implantatgröße und eine fehlende intraoperative Röntgenkontrolle behauptet. Nach der Operation vom 07.10.2015 sei es behandlungsfehlerhaft versäumt worden, zur Abklärung der starken Schmerzen ein CT einzuholen, auf dem die Implantatfehllage früher erkannt worden wäre. Die Revisionsoperation sei nicht aufgrund einer neu aufgetretenen Problematik bei L5 am Nerv durchgeführt worden, da diese Problematik bereits vor der 1. Operation bestanden habe.

 

9 Vor der Revisionsoperation am 04.11.2015 sei ebenfalls keine ordnungsgemäße Aufklärung erfolgt. Der Beklagte zu 6 sei hierzu nicht befähigt gewesen, da er weder Facharzt für Neurochirurgie gewesen sei noch die Operation selbstständig hätte durchführen können. Entgegen dem ausdrücklich erklärten Willen der Zeugin K. sei in erheblichem Umfang Knochen abgetragen worden, was letztlich zur Instabilität und in der Folge zu einer Versteifungsoperation geführt habe. Bei der Revisionsoperation sei das Implantat viel zu tief eingeschlagen und ein Metallteil im Operationsfeld zurückgelassen worden.

 

10 Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst mündlicher Erläuterung, eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens und erneuter mündlicher Erläuterung sowie durch Vernehmung der Zeugin K.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen PD Dr. B. vom 19.07.2018 (GA 211 ff.), sein Ergänzungsgutachten vom 14.01.2022 (GA 694 ff.) und die landgerichtlichen Sitzungsprotokolle vom 06.11.2019 (GA 437 ff.), 05.10.2020 (GA 558 ff.), 15.09.2021 (GA 651 ff.) und vom 08.08.2022 (GA 786 ff.) Bezug genommen. Zudem wurden der Kläger und die Beklagten zu 2, zu 3 und zu 6 informatorisch angehört.

 

11 Mit dem zur Berufung angefallenen Urteil vom 19.09.2022 (GA 847 ff.) hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil der Kläger Behandlungsfehler im Zusammenhang mit den Operationen vom 07.10.2015 bzw. ihrer Nachbehandlung und vom 04.11.2015 nicht nachgewiesen habe. Die Eingriffe seien, da sie von einer wirksamen Einwilligung der Zeugin K. gedeckt seien, auch nicht rechtswidrig gewesen. Wegen der Begründung im Einzelnen und der vom Landgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf dieses Urteil Bezug.

 

12 Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlich erfolglos gebliebenen Sachanträge weiterverfolgt. Unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens macht er im Wesentlichen geltend, das Landgericht sei aufgrund fehlerhafter und nicht überzeugender Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass eine wirksame Einwilligung in die beiden Operationen vorgelegen habe und Behandlungsfehler nicht festgestellt werden könnten.

 

13 Eine wirksame Einwilligung der Zeugin K. in den Eingriff vom 07.10.2015 liege schon deshalb nicht vor, weil sie lediglich in eine Durchführung der Barricaid-Operation durch den Beklagten zu 2 als Operateur eingewilligt habe. Dies habe sie bei ihrer Vernehmung glaubhaft bestätigt. Es werde im Übrigen durch die eigene Dokumentation der Beklagten zu 1 belegt, in der sich zum einen der Vermerk befinde, dass die OP der Patientin K. „nur“ durch „Sch.“ durchgeführt werden solle (vgl. Anlage 1 zum Schriftsatz vom 17.08.2022, blauer Anlagenband). Zum andern sei dieser auch in der vom Beklagten zu 3 unterzeichneten operativen Checkliste für die Operation vom 07.10.2015 als Operateur eingetragen. Das Landgericht habe bereits die Beweislast verkannt, denn das Vorliegen einer wirksamen Einwilligung müsse die Behandlerseite beweisen. Den Beweis, dass eine unbeschränkte Einwilligung in die Barricaid-Operation erteilt worden sei, habe die Beklagtenseite auch nach Einschätzung der Erstrichterin nicht erbracht. Gegenteiliges folge auch nicht aus dem von der Zeugin K. unterschriebenen Einwilligungsformular, das sich zu der Frage des Operateurs überhaupt nicht verhalte. In diesem Zusammenhang habe das Landgericht auch erheblichen Beweisantritt des Klägers zu seiner Behauptung, die Zeugin K. habe ihrer Behandlerin, der Zeugin Dr. K.-A., bei einem Gespräch vor dem Aufklärungsgespräch mit dem Beklagten zu 3 vom 05.10.2015 und vor der 1. Operation mitgeteilt, dass sie vom Beklagten zu 2 selbst und von sonst niemandem operiert werde, übergangen. Diesem Gespräch komme zumindest indizielle Bedeutung zu. Zudem werde die Behauptung der Beklagten, der Beklagte zu 2 habe der Zeugin K. bereits vor dem Aufklärungsgespräch erklärt, dass eine Barricaid-Operation nur von dem Beklagten zu 3 gemacht werden könne, da er hiermit keine Erfahrungen habe, widerlegt.

 

14 Die Einwilligung sowohl in den Ersteingriff als auch in den Zweiteingriff sei auch deshalb unwirksam gewesen, weil nicht ordnungsgemäß über die Risiken dieser Eingriffe und über ernsthafte Behandlungsalternativen und – hinsichtlich des Ersteingriffs – über die Anwesenheit eines Medizinproduktberaters aufgeklärt wurde. Der Beklagte zu 3 habe die Risiken einer Barricaid-Operation verharmlosend und die Erfolgsaussichten der Operation zu optimistisch dargestellt. Schließlich sei auch keine ordnungsgemäße Aufklärung über die Dringlichkeit der OP und ernsthafte Behandlungsalternativen erfolgt. Insbesondere wäre eine weitere konservative Behandlung ernsthaft in Betracht gekommen. Eine Aufklärung über die Anwesenheit eines Medizinprodukteberaters während der OP sei ebenfalls nicht erfolgt. Eine Aufklärung hierüber wäre aber aus datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen sowie aus standesrechtlichen Gründen erforderlich gewesen. Nach § 7 Abs. 5 MBO-Ä bedürfe die Teilnahme eines Medizinprodukteberaters bei der Untersuchung und Behandlung eines Patienten der Zustimmung des verantwortlichen Arztes/der verantwortlichen Ärztin und des Patienten/der Patientin. Der Verstoß der Beklagten zu 2 und zu 3 hiergegen stelle einen groben Behandlungsfehler dar, für den auch die Beklagte zu 1 hafte. Bei einer entsprechenden Aufklärung hätte die Zeugin K. der Operation nicht zugestimmt, weil sie wegen der erforderlichen Anwesenheit eines Medizinprodukteberaters auf die erforderliche Befähigung der Ärzte zu diesem speziellen Eingriff nicht mehr vertraut hätte. Insoweit habe das Landgericht zu Unrecht von der Vernehmung der Zeugin K. abgesehen und habe zu Unrecht ihre schlüssige Einwilligung unterstellt.

 

15 Soweit das Landgericht eine fehlerhafte Behandlung der Zeugin K. nicht für nachgewiesen erachtet habe, stütze es sich auf die gutachterlichen Ausführungen des Sachverständigen Dr. B., die jedoch mangelhaft, lückenhaft, widersprüchlich, unklar und im Ergebnis unzutreffend und nicht überzeugend gewesen seien. Es hätte deshalb entsprechend dem Antrag des Klägers ein neues Gutachten eines anderen Sachverständigen eingeholt werden müssen.

 

16 Entgegen den Ausführungen des Sachverständigen Dr. B. ergebe sich aus den Befundberichten der Radiologieärzte zu den postoperativen bildgebenden Befunden vor der Revisionsoperation, dass das Implantat nicht korrekt gesessen habe, sondern einen erheblichen Überstand von 0,7 cm hatte. Die Erklärungsversuche des Sachverständigen für seine gegenteilige Befundung – ca. 2,5 mm Überstand – seien weder nachvollziehbar noch überzeugend. Im Übrigen wäre es Sache eines Facharztes für Radiologie, die Befundung zu beurteilen. Auf den weiteren bildgebenden Befunden vom 12.02.2016 und 21.04.2016 sei zudem erkennbar, dass ein Großteil des Implantats sich spinal verschoben habe und eine Fehllage aufweise.

 

17 Der Sachverständige habe seine Gutachten auf der Grundlage der Behandlungsdokumentation der Beklagten erstellt, der allerdings kein ausreichender Beweiswert zukomme. Ihre Echtheit und inhaltliche Richtigkeit sei bestritten, sie sei auch nachträglich verändert worden. Ein Schutz gegen nachträgliche nicht sichtbare Änderungen bestehe nicht. In den vorgerichtlich zur Einsichtnahme überlassenen Behandlungsunterlagen hätten sich keine Ausdrucke von Bildern des Bildwandlers befunden, anhand derer man operativ den korrekten Sitz des Implantats hätte überprüfen können. Dass die später vorgelegten Ausdrucke von Handybildern die Zeugin K. betreffen und während der OP gefertigt worden seien, stehe nicht fest. Einen entsprechenden Beweis habe die Beklagtenseite auch nicht angeboten.

 

18 Dass die Größe des eingesetzten Implantats zutreffend gewählt wurde, sei nicht belegt. Die Größe des vorgefundenen Anulus-Defekts sei entgegen § 630f Abs. 2 BGB nicht dokumentiert mit der Folge, dass gemäß § 630h Abs. 3 BGB vermutet werde, dass die Größe des Defekts operativ nicht vermessen worden sei. Dem Operationsprotokoll vom 07.10.2015 (Anlage B10 zum Schriftsatz vom 10.11.2017) komme keine Beweiskraft zu, da es gegen nachträgliche, nicht sichtbar gemachte Änderungen nicht geschützt sei. Die Annahme des Sachverständigen, dass die Größe des Defekts und die Größe des Implantats harmonierten, sei rein spekulativ, ohne dass es dafür hinreichende Belege gebe. Seinem Beweisantrag auf Vorlage der im Besitz der Zeugin K. und der Beklagten zu 1 befindlichen, der Zeugin K. bei der Operation entnommenen Teile und deren gutachterliche Beurteilung zur Größe des Defekts, habe das Landgericht rechtsfehlerhaft nicht entsprochen. Ebenso habe es seinen Beweisantrag auf Vernehmung der Nachbehandler als sachverständige Zeugen dazu, dass die L5-Problematik nicht postoperativ neu hinzugetreten sei, sondern bereits vor der 1. OP vorgelegen habe und dass bei der 2. OP ungewöhnlich viel Knochen bei der Patientin K. entfernt worden sei, übergangen.

 

19 Für die 1. Operation und das Einsetzen des Barricaid-Implantats habe schon keine Indikation bestanden, weshalb der Eingriff schon deshalb behandlungsfehlerhaft war, selbst wenn er lege artis durchgeführt worden sein sollte. Hiermit habe sich das Landgericht nur unzureichend auseinandergesetzt. Bei Annahme einer grundsätzlichen OP-Indikation wäre das Standardverfahren die reine Bandscheibenoperation gewesen. Für das gewählte, relativ neue und unbekannte Verfahren wäre zur Begründung der Indikation die operative Feststellung der Größe des Anulus-Defekts und damit dessen Dokumentation erforderlich gewesen. Wegen der insoweit fehlenden Dokumentation werde vermutet, dass die für die Indikationsstellung notwendigen Fakten beklagtenseits nicht erhoben wurden. Die Echtheit des nachträglich vorgelegten OP-Protokolls vom 07.10.2015 sowie seine inhaltliche Richtigkeit und Unverändertheit sei bestritten, gegenteiliges habe die Beklagtenseite nicht unter Beweis gestellt.

 

20 Der Kläger beantragt (GA 932 ff., 1000):

 

21 Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19.09.2022 (AZ.: 16 O 103/17) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

 

22 1. Die Beklagten zu 1, 2, 3, 4, 5 und 6 werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger aus abgetretenem Recht der Frau S. K., geboren am 13.02.1975,13,, ein angemessenes – in das Ermessen des Gerichts gestelltes – Schmerzensgeld, mindestens aber 40.000 €, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 30.000 € seit dem 18.03.2016 bis zum 01.05.2016 und aus dem Restbetrag seit dem 02.05.2016 zu zahlen.

 

23 2. Die Beklagten zu 1, 2, 3, 4, 5 und 6 werden als Gesamtschuldner ferner verurteilt, an den Kläger aus abgetretenem Recht der Frau S. K., geboren am 13.02.1975,13,

 

24 a. Schadensersatz in Höhe von 44.274,11 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 25 € seit dem 18.03.2016 und aus dem Restbetrag seit dem 02.05.2016 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 8.625,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 02.05.2016 zu zahlen,

 

25 b. und ab Juni 2017 jeweils eine monatliche Rente nach § 843 BGB in Höhe von 1.084 € für den Ausgleich des Verlusts der Haushaltsführungsfähigkeit von Frau S. K. und in Höhe von weiteren 1.563,47 € monatlich für den Verlust der Arbeits- und Verdienstfähigkeit von Frau S. K. bis zum Tod von Frau S. K. bzw. hilfsweise bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres von Frau S. K. am 13.02.2042 zu zahlen, zahlbar jeweils bis zum 3. Werktag eines jeden Monats im Voraus und ab dem 4. Werktag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus dem jeweiligen Monatsbetrag, die aufgelaufenen Rückstände sofort fällig und zahlbar nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB zu zahlen.

 

26 3. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1, 2, 3, 4, 5 und 6 als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger aus abgetretenem Recht der Frau S. K., geboren am 13.02.1975,13, sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die Frau S. K. aufgrund der am 07.10.2015 (fehlerhaft) durchgeführten Operation an der Bandscheibe (insbesondere fehlerhafte Einsetzung eines Barricaid-Implantats) sowie durch die (fehlerhafte) Revisionsoperation vom 04.11.2015 und die (fehlerhafte postoperative) Behandlung in der Zeit nach der 1. Operation vom 07.10.2015 und die dadurch hervorgerufenen Gesundheitsschäden künftig entstehen werden soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte kraft gesetzlichen Forderungsübergangs übergegangen sind, Ansprüche wegen künftiger immaterieller Schäden allerdings nur insoweit, als sie zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbar waren, und – wegen künftiger immaterieller Schäden – nur soweit die Ansprüche wegen künftiger Schäden nicht schon durch Ziffer 2 b zuerkannt worden sind.

 

27 Hilfsweise:

 

28 Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 19.09.2022 (Az. 16 O 103/17) mit den zugrundeliegenden Feststellungen nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Berufungsverfahrens – an das Landgericht Saarbrücken zurückverwiesen.

 

29 Die Beklagten und ihre Streithelferin beantragen (GA 929, 1001),

 

30 die Berufung zurückzuweisen.

 

31 Sie verteidigen das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres früheren Vorbringens.

 

32 Das Landgericht habe – auch gestützt auf die Ausführungen des Klägers persönlich – rechtsfehlerfrei festgestellt, dass dieser nicht nachgewiesen habe, dass die Zeugin K. nur in eine Operation durch den Beklagten zu 2 eingewilligt habe. Eine Verkennung der Beweislast liege nicht vor, denn bei dem zwischen der Zeugin K. und der Beklagten zu 1 geschlossenen totalen Krankenhausaufnahmevertrag habe der Patient keinen Anspruch auf die Behandlung bzw. Operation durch einen bestimmten Arzt. Dass dennoch eine anderslautende Vereinbarung getroffen worden sei, müsse der Patient beweisen. Die von dem Kläger als Beleg angeführten Eintragungen in der OP-Checkliste und der mit Schriftsatz vom 19.08.2022 überreichten Planungskarte für das Bettenmanagement dienten allein der klinikinternen Planung für die stationäre Aufnahme, stellten also keinen ausreichenden Beleg für eine entsprechende Vereinbarung dar. Die landgerichtliche Würdigung der Angaben der Zeugin K., des Klägers, des Beklagten zu 2 und des Beklagten zu 3 sei umfassend und nicht zu beanstanden. Sie werde auch dadurch gestützt, dass der Beklagte zu 3 in dem Anschreiben der Beklagten zu 1 an die Zeugin K. vom 08.09.2015, mit dem ihr die Unterlagen zu dem Barricaid-Implantat übersandt worden waren, als ärztlicher Ansprechpartner benannt worden sei. Dem entspreche auch die Aufklärung durch den Beklagten zu 3 als mit dem neuen OP-System vertrauten und fachkundigen Arzt. Zu Recht habe das Landgericht auch von einer Vernehmung der Zeugin Dr. K.-A. abgesehen.

 

33 Im Rahmen der Aufklärungsgespräche habe es auch keiner erneuten Erörterung konservativer Maßnahmen bedurft, nachdem die Zeugin K. hierzu vorab ausführlich beraten und entsprechende konservative Maßnahmen erfolglos geblieben waren. Im Übrigen hätte die Zeugin K. auch bei einer Aufklärung über weitere konservative Maßnahmen in die Operation eingewilligt, denn bei ihrer Vernehmung habe sie keinen Zweifel daran gelassen, dass sie keine weiteren konservativen Maßnahmen mehr habe durchführen wollen.

 

34 Die Aufklärung über die Anwesenheit des Medizinprodukteberaters gehöre nicht zu den für die Einwilligung wesentlichen Umständen, die § 630e BGB benennt. Der Medizinprodukteberater begebe sich nicht in die Nähe des OP-Tisches, sondern kommuniziere aus der Ferne vornehmlich mit dem OP-instrumentierenden Personal. Er habe keinen Einblick in die Behandlungsdokumentation und könne auch die auf dem OP-Tisch liegende, steril abgedeckte Person nicht erkennen. Dieser habe auch die Bilder vom Bildwandler abfotografiert, wobei zur Identifizierung der Patientin lediglich die Implantatverpackung mit Ref- und Lot-Nummer abfotografiert wurde.

 

35 Die Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. B. sei nicht mangelhaft, lückenhaft, widersprüchlich oder unklar gewesen, sodass es der Einholung eines neuen Gutachtens gemäß § 412 Abs. 1 ZPO nicht bedurft habe.

 

36 Der Sachverständige habe nach mehrfacher Inaugenscheinnahme der maßgeblichen CT Aufnahmen dargelegt und medizinisch anschaulich begründet, dass ein Überstand des Ankers über den Wirbelkörper von maximal 2,5 – 2,7 mm vorlag, der nicht zu einer Beeinträchtigung der Nervenwurzeln S1 und L5 bzw. der Dura geführt habe. Die Einholung eines radiologischen Sachverständigengutachtens zu dem Befund der Streithelferin – Überstand von 0,7 cm – sei nicht erforderlich gewesen, da der neurochirurgische Operateur und nicht der Radiologe die Frage der OP-Indikation anhand der Bildgebung zu entscheiden habe. Im Übrigen sei dem Radiologen nach dem eigenen Vortrag des Klägers das Barricaid-Implantat unbekannt gewesen, was zu der abweichenden Beurteilung beigetragen haben könnte.

 

37 Der Sachverständige habe überzeugend bestätigt, dass die gewählte Implantatgröße nicht zu beanstanden sei. Die gemessene Größe des Defekts sei nicht dokumentationspflichtig, da sie für einen Nachbehandler keine Relevanz habe.

 

38 Die Fotodokumentation der Bildwandleraufnahmen sei trotz Anonymisierung über die Lot- und Ref-Nummer des verwandten Implantats (GA 599) der Zeugin K. zuzuordnen, im Übrigen habe der Sachverständige auch bestätigt, dass sie zu der diese betreffenden – und postoperativen Bildgebung passten. Aufgrund der Lichtbilddokumentation sowie der Angaben aus dem OP-Bericht und den Parteianhörungen der Beklagten zu 2 und 3 habe es das Landgericht zu Recht als bewiesen angesehen, dass die Operation in Bildwandlerkontrolle stattgefunden habe und die streitgegenständlichen Lichtbilder dieser Operation zuzuordnen seien. Den Inhalt des den Ausführungen des Sachverständigen zugrundeliegenden Operationsberichts habe die Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Zutreffend habe der Beklagte zu 3 aufgrund seiner operativ getroffenen Feststellungen die Indikation zur Verwendung des Barricaid-Implantats gestellt.

 

39 Die Streithelferin schließt sich den Ausführungen der Beklagtenseite an. Sie weist darauf hin, dass die Differenz zwischen dem eigenen Befund – Überstand von 7 mm – und dem von dem Sachverständigen festgestellten überstand von max. 2,5 – 2,7 mm nur mit unterschiedlichen Angulierungen der Messungen im Rahmen der Messtoleranz zu erklären sei. Hierauf komme es letztlich aber nicht an, da, wie der Sachverständige zutreffend ausgeführt habe, der Neurochirurg die OP-Indikation stelle.

 

40 Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 23.08.2023 (GA 1000 f.) Bezug genommen.

 

B.

41  Die Berufung des Klägers ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, mithin zulässig.

 

42   In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg, denn die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer kausalen Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, dem Kläger günstigere Entscheidung (§ 513 ZPO).

 

43   Zu Recht und mit einer überzeugenden Begründung hat das Landgericht Schadensersatzansprüche des Klägers aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau, der Zeugin und Patientin K. aus §§ 280 Abs. 1, 630a, 278, 249, 253 Abs. 2 BGB und aus §§ 823 Abs. 1, 831, 249, 253 Abs. 2 BGB, jeweils i. V. m. § 398 BGB verneint. Die hiergegen mit der Berufung vorgebrachten, im Wesentlichen das erstinstanzliche Vorbringen wiederholenden Argumente bleiben ohne Erfolg.

 

I.

 

44 Die Durchführung der Erstoperation vom 07.10.2015 war weder mangels wirksamer Einwilligung der Zeugin K. rechtswidrig noch konnte der Kläger Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der Operation mit dem Beweismaß des § 286 ZPO nachweisen.

 

1.

 

45 Das Landgericht hat mit überzeugenden, vom Senat geteilten Erwägungen angenommen, dass die Einwilligung der Zeugin K. in die Erstoperation vom 07.10.2015, die durch den Beklagten zu 3 als Operateur und die Beklagte zu 4 als seine Assistentin durchgeführt wurde, nicht auf die Vornahme der Operation durch den Beklagten zu 2 als Operateur beschränkt war. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht weder die Beweislast verkannt noch ein erhebliches Beweisangebot des Klägers übergangen.

 

a.

 

46   Unstreitig hat die Zeugin K. am 05.10.2015 ihre Einwilligung in die Barricaid-Operation vom 07.10.2015 schriftlich ohne Hinweis auf eine Beschränkung auf einen bestimmten Operateur erklärt. Dann steht dem Krankenhausträger bei – wie hier – Vorliegen eines totalen Krankenhausaufnahmevertrages aber grundsätzlich das Recht zu, sich für die Behandlung seines gesamten Personals zu bedienen. Will der Patient, der keinen entsprechenden Arztzusatzvertrag abgeschlossen hat, seine Einwilligung dennoch auf einen bestimmten Operateur beschränken, muss er dies nach den von dem Bundesgerichtshof in seiner Leitentscheidung vom 11.05.2010 (VI ZR 252/08, NJW 2010, 2580) hierzu entwickelten Grundsätzen eindeutig zum Ausdruck bringen (zitiert nach juris Rn. 9; ebenso Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 11. April 2018 – 1 U 111/17 – NJW 2019, 239 ff., juris Rn. 32, 33). Denn bei einem totalen Krankenhausaufnahmevertrag kann der Patient grundsätzlich nicht erwarten, von einem bestimmten Arzt behandelt zu werden. Vielmehr kann sich der Krankenhausträger für die Behandlung seines gesamten Personals bedienen. Der Patient, der, ohne einen entsprechenden Arztzusatzvertrag abgeschlossen zu haben, hiervon abweichend nur von einem bestimmten Arzt operiert werden will, muss dies eindeutig zum Ausdruck bringen. Hierfür genügen weder der von einem Patienten geäußerte Wunsch oder seine subjektive Erwartung, von einem bestimmten Arzt operiert zu werden, noch die unverbindliche Zusage eines Arztes in einem Vorgespräch, die Operation, sofern möglich, selbst durchzuführen (BGH, Urteil vom 11.05.2010, a.a.O, juris Rn. 10).

 

b.

 

47   Von diesen Grundsätzen ist auch das Landgericht ausgegangen und hat aufgrund einer umfassenden, plausiblen und überzeugenden Beweiswürdigung – auf S. 17 – 22 der angefochtenen Entscheidung (GA 863 – 868) wird Bezug genommen – die Überzeugung gewonnen, dass weder eine Operation mit Implantation des Barricaid-Implantats mit dem Beklagten zu 2 als Operateur vereinbart oder von diesem zugesagt worden war noch die Zeugin K. ihre Einwilligung auf die Durchführung der Operation mit Einsatz des Barricaid-Implantats auf den Beklagten zu 2 als Operateur beschränkt hatte.

 

48  An die Feststellungen des Landgerichts sieht sich der Senat gebunden, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieser entscheidungserheblichen Feststellungen, die bereits dann begründet sind, wenn aus der für das Berufungsgericht gebotenen Sicht eine gewisse – nicht notwendig überwiegende – Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass im Fall der Beweiserhebung die erstinstanzliche Feststellung keinen Bestand haben wird, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (BGH, Beschluss vom 04. September 2019 – VII ZR 69/17 – MDR 2019, 1325 f., juris Rn. 11 m. w. N.; Beschluss vom 2.7.2013 – VI ZR 110/13, juris Rn. 7; Urteil vom 8.6.2004 – VI ZR 230/03, BGHZ 159, 254) und die deshalb eine erneute Feststellung gebieten, liegen nach dem Ergebnis der eigenen Prüfung des Senats entsprechend den von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Grundsätzen (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – VI ZR 403/14 – VersR 2016, 1194 ff., juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 03. Juni 2014 – VI ZR 394/13 – NJW 2014, 2797, juris Rn. 10; BGH, Beschluss vom 04. September 2019 – VII ZR 69/17 – MDR 2019, 1325 f., juris Rn. 11; BGH, Beschluss vom 21. März 2018 – VII ZR 170/17 – NJW-RR 2018, 651 f., juris Rn. 15; jeweils m. w. N.; Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 529 ZPO Rn. 3 f.) nicht vor.

 

aa.

 

49   In diesem Zusammenhang verfängt auch der Einwand der Berufung nicht, das Landgericht habe die Beweislast verkannt, weil die Behandlerseite den Nachweis führen müsse, dass die Patientin K. ihre Einwilligung vom 05.10.2015 zur konkret durchgeführten Barricaid-Implantat-Operation am 07.10.2015 nicht in persönlicher Hinsicht auf den Beklagten zu 2 als Operateur beschränkt hat. Das von ihr unterschriebene Einwilligungsformular, das sich zur Person des Operateurs überhaupt nicht verhalte, erbringe keinen Urkundenbeweis oder auch nur ein Indiz für eine unbeschränkte Einwilligung.

 

50   Bei dieser Argumentation übersieht die Klägerseite, dass die Zeugin K. mit der Beklagten zu 1 einen totalen Krankenhausaufnahmevertrag geschlossen hat, bei dem der Patient grundsätzlich keinen Anspruch darauf hat, von einem bestimmten Arzt behandelt und operiert zu werden. Zwar bleibt es dem Patienten auch bei einem solchen Vertrag unbenommen zu erklären, er wolle nur von einem bestimmten Arzt operiert werden. Will er seine Einwilligung auf diesen Arzt beschränken, muss er das allerdings eindeutig zum Ausdruck bringen. Dabei ist es Sache des Patienten, der eine keine Beschränkung enthaltende Einwilligungserklärung unterzeichnet hat, darzulegen und zu beweisen, dass er eine hiervon abweichende Beschränkung der Einwilligung auf einen bestimmten Arzt eindeutig zum Ausdruck gebracht hat. Diesen Beweis hat der Kläger nicht geführt. Vielmehr ist der Senat mit dem Landgericht aufgrund der eigenen Angaben des Klägers (GA 559 ff.) sowie derjenigen der persönlich angehörten Beklagten zu 2 (GA 569 ff.) und zu 3 (GA 652 ff.) überzeugt davon, dass die Zeugin K. zwar ursprünglich durch den Beklagten zu 2 operiert werden wollte, dass ihr aber erklärt wurde, dass die Operation unter Verwendung des Barricaid-Implantats nur von dem insoweit besonders geschulten Beklagten zu 3 durchgeführt werden kann und sie sich hiermit ausdrücklich einverstanden erklärt hat. Soweit demgegenüber die Zeugin K. bekundet hat (GA 579), der Beklagte zu 2 habe ihre ausdrückliche Frage, ob er die Operation auch bei Einsatz des Barricaid-Implantats durchführe, bei der Besprechung am 01.09.2015 bejaht, überzeugen diese Angaben nicht. Es ist schon kein Grund dafür ersichtlich, warum der mit der Verwendung des Barricaid-Implantats nicht vertraute Beklagte zu 2 eine solche Zusage hätte erteilen sollen. Die Angaben der Zeugin K. werden auch nicht durch die „OP-Checkliste“ (blauer Anlagenband), in der ausdrücklich der Beklagte zu 2 als Operateur benannt ist, noch durch die als Anlage 1 zum Schriftsatz vom 17.08.2022 überreichte Planungskarte für das Bettenmanagement (blauer Anlagenband), auf der unter Sonstiges vermerkt ist „OP nur Sch.“, belegt, denn diese Unterlagen dienen allein der klinikinternen Planung. Im Übrigen stehen sie im Einklang mit dem ursprünglich geäußerten Wunsch der Zeugin K., von dem Beklagten zu 2 operiert zu werden, der dann allerdings durch die vorgeschlagene und von der Zeugin K. favorisierte Möglichkeit der Einbringung des Barricaid-Implantats obsolet wurde, da diese Operation nur von dem Beklagten zu 3 ausgeführt werden konnte. Insoweit sei allerdings, so der Beklagte zu 3 bei seiner Anhörung (GA 656), besprochen worden, dass, sollte das Barricaid-Implantat nicht zur Anwendung kommen, der Beklagte zu 2 die Operation übernehmen werde. Um sicherzustellen, dass der Beklagte zu 2 an dem OP-Tag auch zur Verfügung steht, habe er dessen Namen nach dem Aufklärungsgespräch am 05.10.2015 in die operative Checkliste eingetragen und ihn damit quasi „reserviert“. Diese Angaben des Beklagten zu 3 sind plausibel und überzeugend, wenn man berücksichtigt, dass nach Angabe des Klägers, der Zeugin K., des Beklagten zu 2 und des Beklagten zu 3 der Beklagte zu 2 dem ursprünglichen Wunsch der Zeugin K. Rechnung tragen und diese operieren wollte.

 

bb.

 

51   Entgegen der Auffassung der Berufung hat das Landgericht in diesem Zusammenhang auch kein Beweisangebot übergangen, denn es ist entscheidungsunerheblich, was die Zeugin K. ihrer behandelnden Ärztin/Schmerztherapeutin, der als Zeugin benannten Dr. Isabelle K.-A., vor dem Aufklärungsgespräch mit dem Beklagten zu 3 vom 05.10.2015 und vor der Erstoperation vom 07.10.2015 berichtet hat. Denn zu diesem Zeitpunkt stand noch nicht fest, dass – wenn möglich – das Barricaid-Implantat zum Einsatz kommen soll und der Beklagte zu 3 dann die Operation durchführen muss. Hierüber wurde nämlich, wie von dem Beklagten zu 3 geschildert (GA 655), erst im Rahmen des Aufklärungsgesprächs vom 05.10.2015 Einvernehmen erzielt.

 

cc.

 

52  Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Zeugin Dr. K.-A. der Zeugin K. nach der Behauptung des Klägers vor dem Aufklärungsgespräch am 05.10.2015 „quasi eine Liste an die Hand“ gegeben habe, nach welchen Risiken sie fragen solle, denn zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass die Zeugin K. ihrerseits Fragen in dem Aufklärungsgespräch gestellt hat. Es mag auch sein, dass zu diesem Zeitpunkt bereits der Einsatz des Barricaid-Implantats erwogen wurde, eine definitive Entscheidung war jedoch noch nicht gefallen. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass die Zeugin K. zu diesem Zeitpunkt noch der Überzeugung war, der Beklagte zu 2 werde die Operation in jedem Fall durchführen. All dies ändert aber nichts daran, dass eine wirksame Beschränkung ihrer Einwilligung auf den Beklagten zu 2 nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem Inbegriff der Verhandlungen zur Überzeugung des Senats nicht erfolgt ist.

 

2.

 

53  Beanstandungsfrei hat das Landgericht weiter angenommen, dass die Zeugin K. vor der Operation am 07.10.2015 vollständig aufgeklärt wurde und etwaige Aufklärungsversäumnisse nicht festgestellt werden können.

 

a.

 

54   Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der abzuweichen kein Anlass besteht, haftet ein Arzt grundsätzlich für alle den Gesundheitszustand des Patienten betreffenden nachteiligen Folgen, wenn der ärztliche Eingriff nicht durch eine wirksame Einwilligung des Patienten gedeckt und damit rechtswidrig ist und den Arzt ein Verschulden trifft. Eine wirksame Einwilligung des Patienten setzt dessen ordnungsgemäße Aufklärung voraus (vgl. BGH, Urteil vom 28.5.2019 – VI ZR 27/17, bei Juris Rn. 6; Urteil vom 11.10.2016 – VI ZR 462/15, bei Juris Rn. 8; Urteil vom 30.9.2014 – VI ZR 443/13, bei Juris Rn. 6; vgl. nunmehr § 630d BGB; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 8. Aufl., C. Rn. 2) und es ist Sache des aufklärungspflichtigen Arztes nachzuweisen, dass er die von ihm geschuldete Aufklärung erbracht hat (BGH, Urteil vom Urteil vom 11.10.2016 – VI ZR 462/15, bei Juris Rn. 8; Urteil vom 28.1.2014 – VI ZR 143/13, bei Juris Rn. 11). Maßgebend ist dabei in erster Linie das Aufklärungsgespräch zwischen Arzt und Patient (BGH, Urteil vom Urteil vom 11.10.2016 – VI ZR 462/15, bei Juris Rn. 8), das von dem Arzt und dem Patienten unterzeichnete Formular, mit dem der Patient sein Einverständnis zu dem ärztlichen Eingriff gegeben hat, ist lediglich ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs (vgl. BGH, Urteil vom Urteil vom 11.10.2016 – VI ZR 462/15, bei Juris Rn. 8).

 

55  Eine ordnungsgemäße Aufklärung setzt voraus, dass der Patient jedenfalls „im Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung aufgeklärt wird. Nicht erforderlich ist die exakte medizinische Beschreibung der in Betracht kommenden Risiken. Dem Patienten muss aber eine allgemeine Vorstellung von dem Ausmaß der mit dem Eingriff verbundenen Gefahren vermittelt werden, ohne diese zu beschönigen oder zu verschlimmern. Dabei ist über schwerwiegende Risiken, die mit einer Operation verbunden sind, grundsätzlich auch dann aufzuklären, wenn sie sich nur selten verwirklichen. Entscheidend für die ärztliche Hinweispflicht ist, ob das betreffende Risiko dem Eingriff spezifisch anhaftet und es bei seiner Verwirklichung die Lebensführung des Patienten besonders belastet. Die Aufklärung muss zudem für den Patienten sprachlich und inhaltlich verständlich sein, wobei es auf die individuelle Verständnismöglichkeit und damit auch auf den Zustand des Patienten ankommt (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2016 – VI ZR 462/15 – NJW-RR 2017, 533 ff., juris Rn. 10 m.w.N.).

 

56   Dabei sind an den Nachweis einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Patienten keine unbilligen und übertriebenen Anforderungen zu stellen, zumal das vertrauensvolle Gespräch zur Aufklärung zwischen Arzt und Patienten möglichst von bürokratischem Formalismus frei bleiben soll; ist daher ein Beweis für die ständige Praxis einer gewissenhaften Aufklärung erbracht, sollte dem Arzt im Zweifelsfall geglaubt werden, dass die Aufklärung auch im Einzelfall in der gebotenen Weise geschehen ist (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 30. April 2015 – 12 U 165/13 –, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 8. Januar 1985 – VI ZR 15/83 – NJW 1985, 1399 ff., juris Rn. 13, jeweils m. w. N.).

 

b.

 

57   Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat das Landgericht zu Recht und mit überzeugender Begründung, auf die Bezug genommen wird (LGU 22 – 29, GA 868 – 875), angenommen, dass die Zeugin K. über Art, Durchführung und Umfang des Eingriffs ausreichend aufgeklärt wurde.

 

aa.

 

58   Der Kläger selbst hat eingeräumt, dass die Zeugin K. über eine normale Sequesteroperation aufgeklärt wurde. Darüber hinaus hat der Beklagte zu 2 unstreitig am 01.09.2015 eine Operation mit Einsatz eines Barricaid-Implantats vorgestellt, nachdem die Zeugin K. nach der Möglichkeit eines Aufbaus durch Eigenzellen zwecks Erhaltung der Bandscheibenhöhe gefragt hatte. Unstreitig ist weiter, dass der Zeugin K. danach die in den Behandlungsunterlagen befindliche Patienteninformation des Herstellers über das Barricaid-Implantat „Informationen über Bandscheibenvorfälle und Möglichkeit Rezidive zu vermeiden“ (Loseblattsammlung mit grünem Deckblatt) zugesandt wurde und sie am 05.10.2015 in dem Aufklärungsgespräch mit dem Beklagten zu 3 gezielte Fragen, die ihr teilweise von ihrer behandelnden Ärztin Dr. K.-A. vorgegeben worden waren, hierzu gestellt hat. Der Beklagte zu 3 hat hierzu erklärt, dass er die Zeugin K. über Risiken, alternative Behandlungsmethoden und auch insbesondere die Risiko-Nutzen-Abwägung bei dem Einsatz des Barricaid-Implantats anhand des Standard-Aufklärungsbogens der Klinik sowie anhand der Herstellerinformationen des Implantats aufgeklärt habe. Dabei habe er auch erklärt, wie der Eingriff erfolgt, was die anatomischen Voraussetzungen und was die Vor- und Nachteile der Methode und die Risiken sind. Dass der Beklagte zu 3 den Aufklärungsbogen und die Herstellerinformationen bezüglich des Barricaid-Implantats durchgegangen ist und dabei anhand des Standardaufklärungsbogens auch auf die bestehenden Risiken hingewiesen hat, hat die Zeugin K. bei ihrer Vernehmung (GA 584) bestätigt, wobei der Beklagte zu 3 allerdings gesagt habe, dass es sich um seltene Risiken handele. Hinsichtlich des Barricaid-Implantats sei ihr auch gesagt worden, dass es sich um eine neue Methode handele.

 

59   Danach ist der Senat überzeugt davon, dass die Zeugin K. ausreichend und ordnungsgemäß über den beabsichtigten Eingriff aufgeklärt wurde.

 

bb.

 

60   Entgegen der Behauptung der Berufung wurde die Zeugin K. bei dem Aufklärungsgespräch vom 05.10.2015 weder über die Person des Operateurs noch über dessen Befähigung und die Risiken und Chancen der Barricaid-Implantation getäuscht.

 

61   Wie bereits oben dargelegt, hat der Beklagte zu 3 die Zeugin K. darüber aufgeklärt, dass die Operation unter Einsatz des Barricaid-Implantats nur durch ihn durchgeführt werden kann, weil er allein die entsprechende Einweisung und damit die Befähigung zur Durchführung der Operation erhalten hat. Zudem wurden die Vor- und Nachteile dieses Implantats anhand der Herstellerinformationen eingehend erörtert, wie sowohl die Zeugin K. als auch der Beklagte zu 3 bestätigt haben.

 

cc.

 

62   Ohne Erfolg macht die Berufung weiter geltend, dass die Zeugin K. nicht über ernsthaft in Betracht kommende Behandlungsalternativen – hier die konservative Behandlung – aufgeklärt wurde. Eine entsprechende Aufklärung war nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mehr erforderlich, da die Zeugin K. nach eigenem Bekunden bereits eine Vielzahl von konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausprobiert hatte, ohne dass diese eine ausreichende Linderung der Beschwerden erbracht hätten. Entsprechend hat sie auch angegeben, dass sie den Beklagten zu 2 bereits im Mai 2015 aufgesucht hatte, um weitere Behandlungsmöglichkeiten zu eruieren. Die von dem Beklagten zu 2 anempfohlene operative Behandlung habe sie zu diesem Zeitpunkt aber noch zurückgestellt, weil sie noch gehofft hatte, mit konservativen Behandlungsmöglichkeiten eine ausreichende Linderung zu erzielen. Der Termin am 01.09.2015 sei dann mit dem Ziel einer operativen Behandlung vereinbart worden. Zu diesem Zeitpunkt habe sie keine weiteren konservativen Maßnahmen mehr durchführen wollen, weil sie keinen Erfolg gebracht hätten. Bereits hieraus wird deutlich, dass der Zeugin K. durchaus bewusst war, dass auch eine weitere konservative Behandlung möglich gewesen wäre, die Operation also nicht dringlich war.

 

63   Bestätigt wird dies auch durch die Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. B. in seinem schriftlichen Gutachten vom 19.07.2018, der im Hinblick auf die trotz konservativer Behandlung fortbestehenden Beschwerden der der Zeugin K. eine klare Operationsindikation bestätigt hat.

 

dd.

 

64   Die Zeugin K. ist auch ausreichend darüber aufgeklärt worden, dass es sich bei dem Barricaid- Implantat um ein neuartiges Implantat handelt, das seit 2009 auf dem Markt ist, das sich aber noch nicht allgemein etabliert hat und nur von hierin unterrichteten Behandlern angewandt werden soll. Über die Vor- und Nachteile der Methode und die besonderen mit dem Einsatz des Implantats verbundenen Risiken hat der Beklagte zu 3 die Zeugin K. aufgeklärt. Dagegen war ein besonderer Hinweis darauf, wie oft der Beklagte zu 3 eine solche Operation bereits durchgeführt hat, nicht erforderlich, zumal die handwerklichen Anforderungen nach den Feststellungen des Sachverständigen bei seiner ersten erstinstanzlichen Anhörung (S. 4 des Protokolls vom 06.11.2019, GA 440) kaum diejenigen beim Einsetzen eines Cage im Rahmen einer Versteifungsoperation übersteigen, weil auch dort der Duralsack und die Nerven zum Einbringen des Implantats weiter auseinandergezogen werden müssen als bei einer normalen Operation ohne Implantateinbringung.

 

ee.

 

65   Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass eine Aufklärung der Zeugin K. über die Anwesenheit eines Medizinproduktberaters während der Operation nach § 630e BGB nicht erforderlich war, da es sich nicht um einen für die Einwilligung wesentlichen Umstand handelt. Denn der Medizinproduktberater ist in die Heilbehandlung nicht involviert, sondern ihm kommt aufgrund seiner besonderen Sachkenntnis (vgl. § 31 MPG) quasi als „lebende Gebrauchsanweisung“ lediglich eine das medizinische, insbesondere das die Instrumente anreichende OP-Personal im Hinblick auf die effektive und sichere Handhabung unterstützende Funktion zu (Prengel, MPR 2015, 56, 47; Webel in Bergmann/Pauge/Steinmeyer, Gesamtes Medizinrecht, 3. Aufl. 2018, § 31 MPG Rn. 3).

 

66 Jedenfalls umfasst die Patienteneinwilligung in der Regel auch die Hinzuziehung interner und externer Hilfspersonen, die – wie hier – für die sichere und effektive Durchführung des Eingriffs für erforderlich gehalten werden (Webel a.a.O.). Hiervon ist auch im Streitfall auszugehen. Der Zeugin K. war bekannt, dass ein neuartiges Implantat zum Einsatz kommen und die Herstellerfirma über die Operation informiert werden sollte. Zudem diente die Anwesenheit des Medizinproduktberaters bei der Operation im Wesentlichen der Patientensicherheit, denn seine Aufgabe bestand in der Unterstützung des OP-Personals bei Auswahl der anzureichenden Instrumente und ermöglichte damit einen sichereren und schnelleren Operationsverlauf.

 

67   Auf die mit der Berufungsbegründung aufgeworfene Frage der hypothetischen Einwilligung kommt es deshalb nicht mehr an.

 

68   Soweit die Berufung meint, die Beklagten seien auch aus datenschutz- und persönlichkeitsrechtlichen und aus standesrechtlichen Gründen zur Aufklärung der Zeugin K. über die Anwesenheit eines Medizinprodukteberaters und zur Einholung ihrer Einwilligung verpflichtet gewesen, kann diese Frage offenbleiben. Schutzzweck der Aufklärungspflicht nach § 630e BGB ist es, dem Patienten eine sinnvolle Wahrnehmung seines Selbstbestimmungsrechts über seine körperliche Integrität zu ermöglichen (BeckOK BGB/Katzenmeier, 66. Ed. 1.5.2023, BGB § 630e Rn. 7). Es liegt deshalb bereits dann eine den Eingriff rechtfertigende wirksame Einwilligung vor, wenn der Patient, wie hier die Zeugin K., über alle mit dem Eingriff verbundenen wesentlichen Umstände ordnungsgemäß aufgeklärt wurde.

 

3.

 

69   Rechtsfehlerfrei hat das Landgericht auch eine behandlungsfehlerhafte Durchführung der Operation vom 07.10.2015 verneint. Insbesondere beruhen die erstinstanzlichen Feststellungen weder auf Verfahrensfehlern noch auf einer unzutreffenden und fehlerhaften Würdigung des Beweisergebnisses. Der Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens gemäß § 412 Abs. 1 ZPO bedurfte es deshalb nicht.

 

a.

 

70   Der Einwand der Berufung, der Gutachter sei von falschen bzw. unvollständigen Anknüpfungstatsachen für seine gutachterliche Beurteilung ausgegangen, weil er entgegen den vorgelegten Befundberichten der Radiologieärzte von einem korrekten Sitz des Implantats und nicht von einem erheblichen Überstand ausgegangen sei, greift nicht durch.

 

71   Der Sachverständige PD Dr. B. hat sich auf diesen Einwand des Klägers mehrfach mit der postoperativen Bildgebung befasst und diese ausgewertet. Bereits in seinem Erstgutachten vom 30.05.2018 (dort S. 15, GA 225) hat der Sachverständige ausgeführt, dass aus der vorliegenden Bildgebung (operatives Röntgen, CT postoperativ im Verlauf) ersichtlich sei, dass das Barricaid-Implantat technisch korrekt eingesetzt wurde. Der Anker sei regelrecht in den Knochen eingeschlagen worden und verlaufe parallel zur Endplatte, das Mesh habe sich intradiskal entfaltet. Anzeichen für eine Lockerung lägen nicht vor. In den sagittalen Schichten des CTs zeige sich, dass die Hinterkante des Ankers mit der Hinterkante des Wirbelkörpers abschließe. Allerdings fänden sich die letzten Anteile des Ankers um maximal 2,5-2,7 mm überstehend, was durch die zurückweichende Hinterkante des Wirbelkörpers zu erklären sei. Dieser Überstand verursache allerdings keine Probleme. Da der Anker im hinteren Längsband verborgen bleibe, komme es nicht zu einer Affektion von Duralsack und/oder Nervenwurzel. Dies hat er nochmals bei seiner erstinstanzlichen Anhörung vom 06.11.2019 (Protokoll S. 6, GA 442) bestätigt. Hiermit hat sich der Sachverständige dann in seinem Ergänzungsgutachten vom 14.01.2022 (dort S. 7-9, GA 700-702) nochmals eingehend auseinandergesetzt. Er hat erklärt, dass er das CT der LWS vom 29.10.2015 nochmals nachbefundet und dabei lediglich nach median hin einen Überstand von maximal 2,5-2,6 mm festgestellt habe. Im Weiteren erläutert er, dass es trotz genauer Messung zu unterschiedlichen Werten kommen könne, und zwar abhängig von dem gewählten Messpunkt oder aufgrund unterschiedlicher Dichteeinstellungen im CT. Zu der abweichenden Befundung durch den Radiologen – dieser misst einen Überstand von 0,7 cm – erläutert der Sachverständige, dass dieser wohl nicht in einer korrekten Ausrichtung der Bilder gemessen worden sei. In einer axialen Schichtung ohne lotrechte Ausrichtung auf den betreffenden Wirbelkörper messe er ebenfalls einen Überstand von etwa 7 mm. Dies hat er bei seiner erstinstanzlichen mündlichen Anhörung vom 08.08.2022 (S. 3f. des Protokolls, GA 788 f.) nochmals eingehend und überzeugend erläutert.

 

72   Entgegen der Auffassung des Klägers waren weder der befundende Röntgenarzt der Streithelferin als sachverständiger Zeuge zu seiner Befundung – Überstand von 0,7 cm – zu vernehmen noch ein röntgenologisches Sachverständigengutachten hierzu einzuholen. Die Frage, ob das Implantat fehlerhaft eingebracht wurde und deshalb eine erneute OP-Indikation gegeben war, ist von dem Neurochirurgen zu beantworten, was auch die Streithelferin der Beklagten ausdrücklich betont.

 

73   Abgesehen davon hat der Sachverständige PD Dr. B. seine Feststellung, dass keine Implantatfehllage vorliegt, nicht nur mit dem geringfügigen Überstand von 2,5-2,7 mm begründet, sondern ganz wesentlich damit, dass von dem Implantat keine irgendwie gearteten Beeinträchtigungen und Irritationen ausgehen. Bestätigt wird diese Interpretation des Sachverständigen auch durch den intraoperativen Befund bei der Revisionsoperation, denn dort wurde ein Überstand von 1 mm gemessen (vgl. S. 6 des Protokolls vom 08.08.2022, GA 791).

 

b.

 

74   Das Landgericht hat auch zutreffend festgestellt (LGU 33, 34, GA 879, 880), dass nicht nachgewiesen ist, dass der Beklagte zu 3 bei der Erstoperation die falsche Implantatgröße zur Überdeckung des Defekts ausgewählt hat.

 

aa.

 

75   Der Sachverständige PD Dr. B. hat in seinem Ergänzungsgutachten vom 14.01.2022 (dort S. 6 f., GA 699 f.) das Vorgehen zur Bestimmung der Defektgröße erläutert. Danach erfolgt die Bestimmung intraoperativ, indem der Defekt mit unterschiedlichen Meßstäben ausgemessen wird und entsprechend dieses Befundes das Implantat gewählt wird, das diesen Defekt von innen komplett verschließt. Gestützt auf den Operationsbericht hat er weiter ausgeführt, dass diese Schritte auch bei der streitgegenständlichen Operation vom 07.10.2015 eingehalten und dokumentiert worden sind. Zwar sei in dem Operationsbericht die Defektgröße nicht ausdrücklich erwähnt, aus dem Operationsbericht ergebe sich aber, dass die ehemalige Defektstelle nach dem Einschlagen inspiziert und eine komplette Abdeckung des Defekts festgestellt worden sei. Dass diese zur Bestimmung des Defekts notwendigen Schritte im vorliegenden Fall eingehalten wurden, wird zudem durch die intraoperativ von dem Bildwandler gefertigten Lichtbilder belegt (Anlage B9 zum Schriftsatz vom 10.11.2017, im Anlagenhefter bzw. GA 593 ff.). Zwar sind die Bilder anonymisiert ausgedruckt. Aufgrund der übereinstimmenden und überzeugenden Angaben der Beklagten zu 2 (S. 13. Protokolls vom 05.10.2020, GA 570) und zu 3 (S. 6 des Protokolls vom 15.09.2021, GA 656) ist das Gericht jedoch überzeugt davon, dass sie bei der streitgegenständlichen Operation per Handy von dem Röntgenbildwandler gefertigt wurden und die Zeugin K. betreffen. So hat der Beklagte zu 3 die ihm vorgelegten Lichtbilder (GA 593 ff.) – hierzu hat der Beklagte zu 2 erläutert, dass es sich bei den neben dem jeweiligen Bild abgedruckten Daten um die aus dem Handy ausgelesenen Metadaten zu dem jeweiligen Bild handele – anhand des dort aufgedruckten Datums und der einzelnen Operationsschritte zweifelsfrei der Operation der Zeugin K. zugeordnet. Die einzelnen durch die Bildgebung dokumentierten Schritte hat er dahin erläutert, dass er zunächst probiert habe, ob das Barricaid-Implantat überhaupt in Betracht kommt, welche Größe verwendet werden muss, weiter habe er die korrekte Entfaltung des Mesh und das Einschlagen überprüft. Schließlich sehe man, dass der Sitz korrekt ist.

 

76   Diese Angaben hat auch der Sachverständige PD Dr. B. bei seiner Anhörung am 06.11.2019 (S. 4/5 des Protokolls, GA 440/441) bestätigt. Zwar konnte er anhand der Bilder allein nicht mit Sicherheit feststellen, dass sie der streitgegenständlichen Operation zuzuordnen sind, er hat es jedoch anhand eines Vergleichs mit den vor und nach der Operation gefertigten Bildern und insbesondere der postoperativ wie intraoperativ gleichen Entfaltung des Mesh für durchaus plausibel erachtet, dass sie von der Operation der Zeugin K. am 07.10.2015 stammen. Er hat weiter bestätigt, dass diese Bilder die Einhaltung der notwendigen Operationsschritte, insbesondere das Ausmessen der Defektgröße mit verschiedenen Stiften, bis hin zur Überprüfung des ordnungsgemäßen Sitzes des eingebrachten Implantats dokumentieren. Aus all diesen Ausführungen ergibt sich zur Überzeugung des Senats, dass die Defektgröße intraoperativ bestimmt und mit 10 mm das zur Überdeckung des Defekts passende Implantat gewählt wurde.

 

bb.

 

77   Soweit der Kläger dem entgegenhält, der vorgelegten Behandlungsdokumentation komme kein Beweiswert zu, da die digitale Dokumentation nicht gegen nachträgliche nicht sichtbare Änderungen geschützt gewesen sei und ihre Echtheit und inhaltliche Richtigkeit bestritten werde, verfängt dieser Einwand nicht.

 

78   Zwar kommt einer elektronischen Dokumentation, die nachträgliche Änderungen entgegen § 630f Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB nicht erkennbar macht, keine positive Indizwirkung dahingehend zu, dass die dokumentierte Maßnahme von dem Behandelnden tatsächlich getroffen worden ist, denn einer solchen, nachträgliche Änderungen nicht sichtbar machenden Dokumentation fehlt es an der Zuverlässigkeit, weil sie Veränderungen so zulässt, dass sie unbemerkt bleiben. Dies gilt auch dann, wenn der Patient keine greifbaren Anhaltspunkte dafür darlegt, dass die Dokumentation nachträglich zu seinen Lasten geändert worden ist (BGH, Urteil vom 27. April 2021 – VI ZR 84/19 –, BGHZ 229, 331-344, juris Rn. 28, 29). Daraus folgt entgegen der Auffassung des Klägers allerdings nicht, dass eine solche Dokumentation bei der Beweiswürdigung vollständig unberücksichtigt bleiben muss. Sie bildet vielmehr einen tatsächlichen Umstand, den das Gericht bei seiner Überzeugungsbildung unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme einer umfassenden und sorgfältigen, aber auch kritischen Würdigung unterziehen muss (BGH a.a.O., juris Rn. 30).

 

79   Dem hat das Landgericht Rechnung getragen, denn es stützt seine Überzeugung nicht allein auf den dokumentierten Operationsbericht, sondern auch auf die diesen bestätigenden Angaben des Beklagten zu 3 sowie die intraoperativ gefertigten Bilder. Das begegnet keinen Bedenken.

 

80   Soweit der Kläger darüber hinaus bestritten hat, dass das Operationsprotokoll vom 07.10.2015 (Anlage B 10, Anlage zum Schriftsatz vom 10.11.2017, Anlagenhefter), in dem insbesondere die Defektgröße mit 5 x 9 mm vermerkt ist, nicht nachträglich verändert wurde, kann dies dahinstehen, da das Operationsprotokoll der Beweiswürdigung nicht zugrunde gelegt wurde.

 

cc.

 

81   Der Kläger kann sich auch nicht auf § 630h Abs. 3 BGB stützen, wonach vermutet wird, dass eine medizinisch gebotene wesentliche Maßnahme nicht getroffen wurde, wenn sie und ihr Ergebnis entgegen § 630f Abs. 1 oder 2 BGB nicht dokumentiert wurden, denn die Defektgröße war aus medizinischer Sicht nicht dokumentationspflichtig, wie der Sachverständige plausibel und überzeugend dargelegt hat.

 

82   Nach § 630f Abs. 2 BGB sind diejenigen für die Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufzuzeichnen, die aus der fachlichen Sicht des Behandelnden für die Sicherstellung der derzeitigen oder einer künftigen Behandlung wesentlich sind bzw. sein können. Hiermit sind ersichtlich solche Maßnahmen und Ergebnisse gemeint, deren Aufzeichnung geboten ist, um Ärzte und Pflegepersonal über den Verlauf der Krankheit und die bisherige Behandlung für ihre künftigen Entscheidungen ausreichend zu informieren. Mit dem Hinweis auf die „fachliche Sicht“ bringt das Gesetz zum Ausdruck, dass im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung bei Verneinung eines medizinischen Erfordernisses eine Dokumentation auch aus Rechtsgründen nicht geboten ist (BGH, Urteil vom 27. April 2021, a.a.O. juris Rn. 16 m.w.N.).

 

83   Nach diesen Grundsätzen war die genaue Defektgröße nicht dokumentationspflichtig. Wie der Sachverständige plausibel dargelegt hat, spielt die im Zeitpunkt der Operation bestehende Defektgröße für den Nachbehandler keine Rolle, weil der Defekt nicht statisch ist, sondern sich weiterentwickeln kann. Er muss deshalb bei jeder neuen Operation erneut ausgemessen werden. Soweit der Kläger demgegenüber meint, die Größe des abzudeckenden Defekts und des dazu verwandten Implantats seien für die damalige und künftige Behandlung der Zeugin K. wesentlich, weil nur anhand dieser Angaben festgestellt werden könne, ob der Defekt durch die gewählte Implantatgröße ausreichend versorgt worden sei, überzeugt dies nicht. Es ergibt sich nämlich bereits aus den im Operationsbericht dokumentierten einzelnen Maßnahmen zur Feststellung der Größe des Defekts in Verbindung mit den intraoperativ gefertigten Bildern, dass eine zur Abdeckung des Defekts ausreichende Implantatgröße gewählt wurde. Im Übrigen wird, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat, die gemessene Defektgröße indirekt durch die Implantatgröße dokumentiert, denn es ist lebensfremd anzunehmen, dass ein Arzt ein nicht zu der gemessenen Defektgröße passendes Implantat auswählt. Dem Antrag auf Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens zu dieser Frage hat das Landgericht deshalb zu Recht nicht entsprochen.

 

dd.

 

84   Das Landgericht hat auch zu Recht kein Sachverständigengutachten zur Bestimmung der genauen Größe des Anulus-Defekts anhand der der Zeugin K. entnommenen Sequesterteile eingeholt. Denn der Sachverständige hat klar und eindeutig bekundet, dass anhand der entnommenen Teile keine Feststellungen zu der Größe des Defekts getroffen werden können.

 

ee.

 

85   Ohne Erfolg macht die Berufung geltend, das Landgericht habe die Indikationsstellung zur Durchführung einer Barricaid-Operation am 07.10.2015 auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage bejaht, weil intraoperativ die Feststellung der genauen Defektgröße, von der die Indikationsstellung zur Verwendung eines Barricaid-Implantats abhängt, nicht dokumentiert sei und damit nach § 630h Abs. 3 BGB vermutet werde, dass sie unterblieben ist.

 

86   Der Sachverständige hat bei seiner Anhörung am 06.11.2019 bestätigt, dass im Streitfall nach vielfältigen erfolglos gebliebenen konservativen Therapieversuchen die Indikation für eine Operation leitliniengerecht gestellt wurde. Die Wahl der Operationsmethode bei einem Bandscheibenvorfall sei patientenabhängig, die Möglichkeiten reichten von einer Dekompression bis zu einer Versteifung. Er selbst hätte bei der Klägerin zwar eine reine Bandscheibenoperation durchgeführt, es habe aber auch die Möglichkeit des Anulus-Verschlusses mit dem Barricaid-Implantat bestanden. Dieser diene dazu, das Rezidivrisiko zu senken, das bei großen Defekten besonders hoch sei. Die Größe des Defekts – der Einsatz eines Barricaid-Implantats sei wegen des damit verbundenen erhöhten Rezidivrisiko erst bei einer Defektgröße > 5 mm indiziert, so der Sachverständige in seinem Erstgutachten (S. 12, GA 222) – könne allerdings erst intraoperativ bestimmt werden. Bei dem intraoperativ mit fast 10 mm bestimmten Defekt habe die Indikation für den Einsatz des Implantats bestanden.

 

87   Dass die Defektgröße intraoperativ ordnungsgemäß ermittelt wurde, hat der Sachverständige anhand der Ausführungen in dem Operationsbericht und den vorgelegten intraoperativ vom Bildwandler gefertigten Bildern bestätigt. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Berufung greifen, wie oben bereits ausführlich dargelegt, nicht durch. Im Übrigen handelt es sich bei der genauen Defektgröße, wie ebenfalls bereits ausführlich begründet, nicht um eine dokumentationspflichtige Maßnahme.

 

II.

 

88   Beanstandungsfrei und mit überzeugender Begründung hat das Landgericht weiter angenommen, dass der Kläger sein Schadensersatzverlangen auch nicht auf die infolge fehlender wirksamer Einwilligung rechtswidrige Vornahme der Operation vom 04.11.2015 oder die behandlungsfehlerhafte Durchführung der Operation stützen kann.

 

1.

 

89   Die Zeugin K. ist vor dem Eingriff am 04.11.2015 ausreichend aufgeklärt worden. Der Eingriff ging auch nicht über die von ihr getroffene Beschränkung hinaus.

 

a.

 

90   Das Landgericht hat mit überzeugender, vom Senat in Bezug genommener Begründung (LGU S. 39 – 43, GA 885 – 889) dargelegt, dass die Zeugin K. sowohl von dem Beklagten zu 6 als auch von dem Beklagten zu 3 vor dem Eingriff am 04.11.2015 vollumfänglich aufgeklärt war. Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen die Befähigung des Beklagten zu 6, die entsprechende Aufklärung vorzunehmen.

 

91   Hiergegen hat die Berufung auch keine Einwände mehr erhoben.

 

b.

 

92   Unstreitig hat die Zeugin K. dem Eingriff vom 04.11.2015 unter der Voraussetzung zugestimmt, dass nur so wenig Knochen wie nötig abgetragen wird. Über diese Beschränkung sind die Beklagten zu 2 und zu 3 bei Durchführung der Revisionsoperation vom 04.11.2015 jedoch nicht hinausgegangen.

 

93   Der Sachverständige PD Dr. B. hat sowohl in seinem Erstgutachten vom 19.07.2018 (S. 17/18, GA 227/228) als auch bei seiner Anhörung vom 08.08.2022 (S. 7 des Protokolls, GA 792) gestützt auf das postoperativ gefertigte CT nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass im Hinblick darauf, dass bei der Operation am 04.11.2015 die Symptomatik bei L 5 angegangen werden sollte, genug Knochen habe entfernt werden müssen, um die Wurzel L5 im Foramen suffizient zu entlasten. Dazu sei aber nicht mehr Knochen als notwendig entfernt worden. Im postoperativ gefertigten CT würden die beiden Gelenkanteile noch dargestellt und das Gelenk erscheine insgesamt von der Mitte her reduziert. Dies sei ausreichend, um die Sicht auf die L5 Wurzel freizugeben. Im Rahmen seiner Anhörung hat er dann präzisiert, dass die Abtragung keine Auswirkungen auf die Stabilität gehabt habe. Allein von der biomechanischen Wirkweise her könnten die vorgenommenen Abtragungen nicht zu einer Instabilität geführt haben. Gegenteilige Feststellungen finden sich auch nicht in den Schreiben von Professor Dr. Harms vom 10.02.2016 und 15.03.2016 (in der Loseblattsammlung) an die Zeugin K., in denen er zu dem Zustand und den Beschwerden der Zeugin Stellung nimmt. Ebenso wenig ergibt sich aus dem Operationsbericht der Revisionsoperation vom 16.09.2016 (Anlage K 12, geheftete Anlagen) ein Hinweis auf eine behandlungsfehlerhaft zu umfangreiche Knochenabtragung.

 

94   In diesem Zusammenhang hat das Landgericht auch kein Beweisangebot übergangen. Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 31.03.2022 (dort S. 10, GA 735) Beweis durch Vernehmung des Zeugen Dr. H. und der Zeugin K. zu der Behauptung, der Zeuge Dr. H. habe der Patientin nach Auswertung der postoperativen bildgebenden Befunde mündlich mitgeteilt, er habe „sowas noch nicht gesehen“, angeboten hat, war dieser Beweis nicht zu erheben. Es ist weder dargelegt, nach Auswertung welcher Bildgebung und in welchem Zusammenhang der Zeuge die behauptete Äußerung getan haben soll noch ist der diesbezügliche Befundbericht vorgelegt worden, aus dem sich eine übermäßige Knochenabtragung ergeben könnte. Ein solcher Befundbericht scheint aber auch nicht zu existieren, sonst hätte sich der Kläger nicht auf eine angebliche mündliche Äußerung des Zeugen berufen. Dieser Vortrag ist jedenfalls nicht geeignet, die fundierten und auf eine CT-Aufnahme gestützten Ausführungen des Sachverständigen PD Dr. B. infrage zu stellen.

 

2.

 

95   Mit zutreffenden, vom Senat geteilten Erwägungen hat das Landgericht weiter angenommen, dass der Kläger Behandlungsfehler im Zusammenhang mit der 2. Operation vom 04.11.2015 nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen hat.

 

a.

 

96   Die Revisionsoperation war, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat, wegen eines postoperativen persistierenden bzw. zunehmenden Schmerzsyndroms im Bein, dessen Schmerzen dem Dermatom L5 entsprechen, indiziert. Der Sachverständige hat in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass bei der Operation am 04.11.2015 auch der L5 Schmerz angegangen werden sollte, der ausweislich der ihm vorliegenden Unterlagen vor der Erstoperation jedenfalls nicht im Vordergrund gestanden habe. Auf die ausführliche und überzeugende Begründung im angefochtenen Urteil (LGU 43-45, GA 889-891) wird Bezug genommen.

 

97   Hiergegen wendet sich der Kläger ohne Erfolg. Aus den vorgelegten Behandlungsunterlagen, die den Zustand der Klägerin vor der 1. OP betreffen, ergibt sich klar, dass in 1. Linie eine S1-Problematik bestanden hat, die durch die Erstoperation angegangen werden sollte. So findet sich etwa in dem Karteiausdruck vom 02.02.2016 (in der Loseblattsammlung mit grünem Deckblatt) unter dem 10.04.2015 der Eintrag „seit Anfang des Jahres erneute Verschlechterung der Lumboischialgien S1 re mit Taubheitsgefühl in der Wade und unter dem Fuß“, in dem Befundbericht der XCare Praxis in Saarlouis vom 02.09.2015 (in der Loseblattsammlung mit grünem Deckblatt) heißt es „der Prolaps führt zu einer deutlichen Dorsalverlagerung der Nervenwurzel von S1 rechts“, ebenfalls findet sich in dem Befundbericht des Marienhausklinikums St. E. vom 05.06.2015 (in der Loseblattsammlung) unter dem Punkt Haupt-Diagnosen der Eintrag „S1-Radikulopathie re.seitig bei sequestriertem BSV L5/S1 re.seitig“ sowie in dem Befundbericht der Klinik für Neurochirurgie im Klinikum Saarbrücken vom 22.04.2015 (in der Loseblattsammlung) bei Anamnese der Eintrag „in 1. Linie störe sie ein Taubheitsgefühl entsprechend dem Dermatom S1 rechts“ und unter radiologischer Befund der Hinweis „mit Kompression der Nervenwurzel S1“. In all diesen Befundberichten findet sich kein Hinweis auf eine Irritation der Nervenwurzel L5 und eine entsprechende Symptomatik im Dermatom L5, weshalb der Sachverständige zu Recht davon ausgegangen ist, dass diese Problematik bei der Erstoperation jedenfalls nicht im Vordergrund gestanden hat.

 

b.

 

98   Soweit das Landgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Sachverständigen ausgeführt hat, die Operation vom 04.11.2015 sei sachgerecht und behandlungsfehlerfrei durchgeführt worden, lassen diese Ausführungen keine Rechtsfehler erkennen. Der Kläger hat mit seiner Berufung hiergegen auch nichts mehr erinnert.

 

C.

 

99   Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711 i. V. m. 709 ZPO.

 

100   Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 ZPO nicht zuzulassen; denn weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.