Positiv in die Zukunft blicken
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
für mich ist es eine große Ehre und Freude, das Herausgeberteam des MPJ ergänzen zu dürfen. Neben den persönlichen Veränderungen für das MPJ sind auch erhebliche Veränderungen des Medizinprodukterechts im Gange, wie im Editorial 04/2022 (Zeit zur Umsetzung) erwähnt wurde.
Mögliche Routen der klinischen Bewertung von Medizinprodukten und Umsetzungsoptionen
Bereits seit der Richtlinie 93/42/EWG des Rates 1993 gibt es drei Routen der klinischen Bewertung: Eigene klinische Daten über eine klinische Prüfung, der Äquivalenzweg und der Weg über Leistungsdaten. Doch erst seit der Veröffentlichung der MEDDEV 2.7/1 Rev. 4 im Sommer 2016 wurde die dritte Route über Leistungsdaten in das Guidance Dokument übernommen. Mehr Bedeutung gewinnt diese Route nun über die enorm gestiegenen Anforderungen an klinische Bewertungen durch die MDR, da der Äquivalenzweg zunehmend erschwert bzw. unmöglich wird. Was steckt hinter diesen drei Routen? Wann kann die Route über Leistungsdaten eingeschlagen werden? Wie und bei welchen Produkten lässt sich das besonders gut umsetzen? Damit beschäftigt sich dieser Beitrag.
Fälschungskriminalität: Ermittlungen wegen Verdachts von MP-Fälschungsverstößen
Eine Nachricht im Okt. 2022 ließ aufhorchen: Weltweit werden medizinische Beatmungsgeräte gefälscht. Der Ahndung von diesem Verhalten bedarf es nun häufiger – nicht nur in Zeiten von Krisen, der Knappheit
von Gütern sowie gestörter Lieferketten und dadurch potentiell auftretender Risiken. Damit das Vertrauen in diese Produkte fortbesteht, müssen sowohl Staatsanwälte, Richter, Bußgeldbehörden und Verteidiger das
materielle und formelle Medizinproduktstraf- und OWiG-Recht kennen, um der Bekämpfung der Medizinproduktfälschungskriminalität (MPFK) durch MPFK-Ermittlungen nachzuspüren.
Reinheit in der Herstellung: Ableitung von Akzeptanzkriterien
Zu den aktuellen regulatorischen Anforderungen für Medizinprodukte zählt die Einhaltung von Reinheitsanforderungen, welche jedoch in bisher verfügbaren Regularien nur generisch beschrieben werden. Um Herstellern bei der Erarbeitung strukturierter Vorgehensweisen Hilfestellung zu leisten, wurde mit der VDI-Richtlinie 2083 Blatt 21 deshalb ein Leitfaden erarbeitet. Der folgende Aufsatz stellt zum einen die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Arbeit dar, die sich mit der Akzeptanz und Umsetzung der VDI-Richtlinie bei den Wirtschaftsakteuren sowie deren Optimierungspotenzialen befasst hat. Zum anderen werden die aktuellen Arbeiten und Ergebnisse eines Industrieverbunds, der sich mit der Ableitung von Akzeptanzkriterien beschäftigt, vorgestellt.
Medizinprodukte in der Grundsicherung: Die Versorgung der leistungsberechtigten Personen nach dem SGB II mit Medizinprodukten unter besonderer Berücksichtigung des Bürgergeld-Gesetzes
Medizinprodukte bilden innerhalb der medizinischen Versorgung einen wesentlichen Bestandteil, der auch finanziell schwächer aufgestellten Menschen zur Verfügung stehen muss. Diese sind nicht selten auf Leistungen
zur Sicherung des Lebensunterhaltes angewiesen, z. B. nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dieses wurde jüngst durch Einführung des Bürgergeldes geändert. Vor diesem Hintergrund ist eine eingehende
Betrachtung angezeigt, wie die dort leistungsberechtigten Personen an der Versorgung partizipieren und ob sich im Rahmen der gesetzlichen Neuregelungen Veränderungen ergeben haben.
Überblick über die sozioökonomischen Auswirkungen der MDR
Die MDR ist insbesondere mit dem Ziel an dem Start getreten, bestmögliche Qualität von Medizinprodukten auf dem Europäischen Markt zu gewährleisten und damit den Patientenschutz sicherzustellen. Das MDR-Instrumentarium zum Erreichen dieser begrüßenswerten Ziele zeigt allerdings bereits konkrete und absehbare gravierende Auswirkungen Volkswirtschaft und Gesellschaft.
EuGH, Urteil vom 13.10.2022 – C-616/20 – Abgrenzung zwischen Funktionsarzneimittel und kosmetischem Mittel –
Thema:
Das Vorabentscheidungsverfahren betrifft die Abgrenzungsfrage, wann ein Produkt ein „Funktionsarzneimittel“ im Sinne von Artikel 1 Nr. 2 lit. b der Richtlinie 2001/83/EG darstellt.
OLG Hamm, Urteil vom 15.02.2022 – 4 U 142/21 – Werden Medizinprodukte mit einem „Gratis-Gutschein“ für eine Fortbildung beworben, so liegt darin eine unlautere Zuwendung gem. § 7 Abs. 1 S. 2 HWG
Thema:
In den Geltungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes einbezogen ist allein die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung), nicht dagegen die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), die ohne Bezugnahme auf bestimmte Produkte für das Ansehen und die Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein wirbt. Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidende Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt danach maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht. So stand in Frage, ob diese Grundsätze insbesondere auch für die in § 7 HWG geregelte Werbung mit Werbeangaben gelten.
EuGH, Urteil vom 19.01.2023 – C-495/21 und C-496/21 – „Einstufung eines stofflichen Produktes mit medizinischer Zweckbestimmung als Medizinprodukt oder als Arzneimittel“
Thema:
Die Frage, welcher Produktkategorie ein vom Hersteller als stoffliches Medizinprodukt der Klasse I mit therapeutischer Zweckbestimmung in den Verkehr gebrachtes Erzeugnis zuzuordnen ist, wenn nicht geklärt werden
kann, ob die bestimmungsgemäße Hauptwirkung durch pharmakologische, immunologische oder metabolische Mittel erreicht wird, hatte das BVerwG (Beschluss vom 20.05.2021 – 3 C 19.19 und 3 C 9/20, MPJ 2021, 326 ff.) zur Vorabentscheidung dem EuGH vorgelegt. Es war für das BVerwG unklar, ob bei unklarer Faktenlage zur Wirkweise eines Produktes tatsächlich die Kategorie des „Präsentationsarzneimittels“ als Auffangtatbestand greifen könne.
OLG Celle, Urteil vom 19.01.2023 – 13 U 79/21 – Artikel 14 MDR als Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG; Kompressoren für den Betrieb einer zahnärztlichen Behandlungseinheit stellen Medizinprodukte dar
Thema:
Das Gericht hatte zum einen zu klären, ob es sich bei Kompressoren für den Betrieb einer zahnärztlichen Behandlungseinheit um Medizinprodukte im Sinne der gesetzlichen Definition handelt und zum anderen, ob es
sich bei den Pflichten des Händlers aus Artikel 14 Absatz 2 Satz 1 lit. a, Satz 3 MDR um Marktverhaltensregelungen im Sinne des § 3a UWG handelt, mit der Konsequenz, dass damit auch Wettbewerber einen Verstoß als
Wettbewerbsverstoß untersagen lassen können.
LSG Berlin Brandenburg, Urteil vom 29.04.2021 – L 14 KR 48/18 – Antragsberechtigung zur Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis liegt nur bei Hersteller; einer Drainageflasche mit einem Schlauchset fehlt die Hilfsmitteleigenschaft iSd. § 33 SGB V
Thema:
Das Gericht hatte die Frage zu klären, wer antragsberechtigt im Sinne des § 139 SGB V ist und ob ein spezifisches Drainagekit, das funktional eine untrennbare Einheit mit einem Implantat darstellt, isoliert als Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V anzusehen und folglich in das Hilfsmittelverzeichnis zur Erstattung durch die Sozialversicherungen geeignet ist. Dies hat das Gericht verneint.