Datum: 20. Juni 2022
Gericht: SG Berlin
Entscheidungart: Urteil
Aktenzeichen: S 91 KR 2213/20 WA
Nachinstanz: LSG Berlin-Brandenburg
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
… GmbH,
vertreten d. d. Geschäftsführer,
– Klägerin –
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte …
gegen
GKV-Spitzenverband der Krankenkassen,
Reinhardtstr. 28, 10117 Berlin,
– Beklagter –
Gemeinsame Bundesausschuss,
Wegelystr. 8, 10555 Berlin,
– Beigeladene –
hat die 91. Kammer des Sozialgerichts Berlin ohne mündliche Verhandlung am 20. Juni 2022 durch die Richterin am Sozialgericht … sowie die ehrenamtliche Richterin Frau … und den ehrenamtlichen Richter Herrn … für Recht erkannt:
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Aufnahme des Hilfsmittels und Medizinprodukts „V… rechts/links“ für die Indikation Nachbehandlung von Beugesehnenverletzungen „nach Kleinert“ in das Hilfsmittelverzeichnis (HMV) der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Streitig ist insbesondere, ob die Klage mittlerweile unzulässig geworden ist und ob der Nachweis des medizinischen Nutzens vorliegt.
Die Klägerin entwickelt, produziert und vertreibt neben einer Vielzahl orthopädischer Produkte die hier streitige Orthese zur Nachbehandlung von Beugesehnenverletzungen. Es handelt sich bei der V… primär um ein Hilfsmittel für ein Behandlungskonzept, welches sich nach der anerkannten „Kleinert-Methode“ richtet. Dabei stellt die V… eine industriell vorgefertigte Orthese (abweichend vom anzufertigenden Gips bei „Kleinert“) dar, bei der das Handgelenk und die Grundgelenke in einem bestimmten Grad fixiert werden und durch (veränderbare) Federzüge an den operierten Fingern dazu führen, dass diese Finger mit passiver Beugung und aktiver Streckung beübt werden können. Abweichend von der jeweils individuell gefertigten „Kleinert-Schiene“ ist, dass es mittels eines Schlüssels möglich ist, das Handgelenk frühzeitig in unterschiedlichen Radien zu mobilisieren.
Den am 14. Juni 2012 gestellten Antrag der Klägerin auf Aufnahme der V… rechts/links in das Hilfsmittelverzeichnis lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 14. November 2013 mit der Begründung ab, dass keine wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien zum Nachweis des medizinischen Nutzens vorgelegt worden seien.
Den Widerspruch begründete die Klägerin unter Verweis auf die Anwenderbeobachtungen von Dr. L. am Universitätsklinikum M. damit, dass der Einsatz von Orthesen zur Behandlung von Sehnenverletzungen üblich sei und die Anfertigung der individuell angefertigten Kleinert-Schienen ermöglicht werde und damit vergleichbare Produkte zur hier streitigen Orthese bereits in der Produktgruppe PG 23 enthalten bzw. deren individuelle Anfertigung vorgesehen sei. Die Orthese sei ein industriell gefertigtes Produkt, mit dem ebenfalls die Umsetzung des Therapieverfahrens möglich sei. Die passgenaue Anpassung erfolge durch die integrierte Vakuumtechnologie.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juni 2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbe-gründet zurück. Es lägen nach wie vor keine Studien vor, aus denen hervorgehe, dass mit der Orthese die Gleichwertigkeit mit einer individuell hergestellten Kleinert-Schiene gewährleistet sei.
Dagegen hat die Klägerin am 04. Juli 2014 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben. Sie hat während des Klageverfahrens eine neue Konformitätserklärung vom 21. März 2014 eingereicht, in der die Artikelnummern für die V… in die Nummern V…-RE und V…-LI geändert wurden. Diese enthielt darüber hinaus weitere Produkte der Klägerin.
Mit Beschluss vom 08. Februar 2018 hat das Gericht den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) zum Verfahren beigeladen, um zu klären, ob es sich bei dem von der Klägerin hergestellten Produkt um einen Bestandteil einer neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele. Die Klägerin hat daraufhin einen Antrag nach § 139 Abs. 3 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V, n.F.) gestellt. Das Gericht hat das Verfahren mit Beschluss vom 04. Juni 2019 im Hinblick auf die Entscheidung des Beigeladenen ausgesetzt. Mit Schreiben vom 10. November 2020 hat der Beigeladene mitgeteilt, dass keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode vorliege. Daraufhin hat das Sozialgericht das Verfahren wiederaufgenommen. Die Klägerin hat im wieder aufgenommenen Verfahren eine aktuelle Konformitätserklärung vom 28. Februar 2019 eingereicht, die lediglich noch das hier streitige Produkt mit den Artikelnummern V…-RE und V.-LI enthält. Des Weiteren hat sie eine aktuelle Bedienungsanleitung vorgelegt. Im Vergleich zur im Verwaltungsverfahren vorgelegten enthält diese neue Sicherheitshinweise (z. B. Produkt nie auf offenen Wunden tragen; nur in Absprache mit dem behandelnden Arzt die Einstellung ändern) und Empfehlungen für die Verwendung von Handgelenksumfängen von ca. 13 cm bis 20 cm, ansonsten nach Ermessens des behandelnden Arztes.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Klage weiterhin zulässig sei, da der Prüfungsgegenstand „Aufnahme des Hilfsmittels (hier Medizinprodukt „V… rechts/links)“ in das HMV sei. Dieses Hilfsmittel habe sich durch die zwischenzeitlich notwendig gewordenen Änderungen an den Produktunterlagen nicht geändert, da der Prüfungsmaßstab § 139 SGB V bzw. § 33 SGB V bzw. § 47 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sei. Die Beklagte lege hier den Begriff des Medizinprodukts im Zusammenhang mit der EU-Medizinprodukte-Verordnung 2017/745 vom 5. Mai 2017 (Medical Device Regulation – im Folgenden: MDR) zu eng aus. Schließlich sei selbst der Beklagte nicht von einer Änderung des Produkts ausgegangen. Andernfalls hätte er die Mitteilung und Übersendung der geänderten Produktunterlagen als Neuantrag i.S.d. § 139 Abs. 3 SGB V längst behandeln und innerhalb der Frist des § 139 Abs. 6 S. 3 SGB V über den Neuantrag entscheiden müssen. Das Antrags- und Widerspruchsverfahren habe das aktuelle Produkt zum Gegenstand gehabt. Auch der Beklagte bestätigt, dass keine Änderungen in der Gebrauchsanweisung hinsichtlich der Indikationen, Kontraindikationen und der Zweckbestimmung vorgenommen wurden. Soweit in den Produktunterlagen seit der Antragsstellung bei dem Beklagten am 14. Juni 2012 Änderungen bzw. Ergänzungen vorgenommen worden seien, sei dies erfolgt, um den europarechtlichen Anforderungen gerecht zu werden und nicht im Hinblick auf Defizite der Funktionstauglichkeit und Sicherheit. Das streitgegenständliche Produkt habe über die laufenden 10 Jahre immer ein gültiges CE-Zeichen gehabt, gerade weil auch die produktbezogenen Dokumente an die europarechtlichen Vorschriften angepasst worden seien. Die Ausführungen des Beklagten rechtfertigten somit kein Infragestellen der vorhandenen CE-Kennzeichnung des Produktes.
Schließlich lägen auch die weiteren Voraussetzungen nach § 139 Abs. 4 SGB V vor. Der Beigeladene habe im gerichtlichen Verfahren bestätigt, dass durch das streitgegenständliche Hilfsmittel keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode vorliege. Damit sei festgestellt, dass der Einsatz des Hilfsmittels sowohl hinsichtlich der Indikation als auch der Konstruktion als eine vergleichbare Alternative zu Produkten einer bereits bestehenden Produktart anzusehen sei. Zum Nachweis des medizinischen Nutzens reichten daher Anwenderbeobachtungen zu dem konkreten Produkt aus, weil deren Konstruktion und der Indikationsrahmen bereits grundsätzlich anerkannt seien. Denn bei Hilfsmitteln, die therapeutischen Zwecken dienen, und bei denen es nur um eine Alternative zu einem gelisteten und herkömmlichen Hilfsmittel gehe, reiche es aus, wenn die Produkte den gleichen therapeutischen Nutzen wie die herkömmlichen Produkte aufweisen. Es bedürfe keiner Ergebnisse klinischer Studien. Der Beklagte gehe selbst in den Erläuterungen zum Nachweis des medizinischen Nutzens gemäß Ziffer IV. „Medizinischer Nutzen“ der Anforderungen gemäß § 139 SGB V des Hilfsmittelverzeichnisses für die Produktgruppe 23 „Orthesen/Schienen“ vom 05.02.2021 davon aus, dass bei Produkten, die auch oder ausschließlich im Rahmen einer ärztlich veranlassten Krankenbehandlung eingesetzt werden und sich unter Berücksichtigung ihres Wirkprinzips und Indikationsbereiches den bereits bestehenden Produktuntergruppen oder Produktarten der Produktgruppe 23 „Orthesen/Schienen“ zuordnen lassen oder sonst als eine Alternative zu in der Produktgruppe bereits aufgeführten Produkten angesehen werden können, die jeweiligen Anforderungen an den Nachweis des medizinischen Nutzens in den Produktuntergruppen aufgeführt sind. In diesen Fällen reiche für den Nachweis des medizinischen Nutzens die Vorlage einer qualitativ angemessenen medizinischen Bewertung aus.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 14. November 2013 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 12. Juni 2014 den Beklagten zu verurteilen, die von der Klägerin produzierte Orthese V… in das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die Klage für unzulässig. Es fehle an der Klagebefugnis, weil zu dem mit der Klage verfolgten Antrag keine angreifbare Verwaltungsentscheidung des Beklagten vorliege. Die angemeldeten Medizinprodukte haben unstreitig bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides über andere Artikelnummern, Gebrauchsanweisungen und Produktunterlagen verfügt. Die Gebrauchsanweisung sei z.B. um Sicherheitshinweise und um Empfehlungen für Verwendungen für bestimmte Handgelenksumfänge ergänzt worden. Diese Änderungen haben Einfluss auf die Eintragung. Zum einen werde der Anwendungsbereich im Gegensatz zur Kleinert-Schiene durch die Beschränkung auf bestimmte Handgelenksumfange eingeschränkt. Zum anderen ergebe sich eine Einschränkung aus den Anwendungshinweisen. Denn z.B. könne die Anwendung bei Personen mit Sensibilitätsverlust ausgeschlossen sein, weil sie auf übermäßige Schmerzen oder Empfindlichkeitsänderungen als Voraussetzung für die Verwendung der Produkte nicht reagieren können. Dies sei bei der Kleinert-Schiene ebenfalls nicht der Fall. Dem stehe der Hilfsmittelbegriff nicht entgegen. Als Hilfsmittel würden sächliche Mittel i.V.m. der jeweiligen Zweckbestimmung verstanden. Insofern unterscheide sich die Begriffsbestimmung bei Hilfsmitteln zur Sicherung des Erfolgs einer Krankenbehandlung nicht von der Definition in Art. 2 Nr. 1 MDR. Die Regelungen zur Aufnahmen eines Medizinprodukts in das Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 SGB V stellten auch nicht die Verkehrsfähigkeit eines Medizinprodukts infrage. Da der Beklagte über die gleichnamigen Produkte der Klägerin mit anderen Artikelnummern nicht entschieden habe, seien sie nicht Gegenstand der Klage. Schließlich sei Gegenstand der Verwaltungs-Entscheidung die in dem Antragsverfahren durch die eingereichten Unterlagen abschließend spezifizierten Medizinprodukte. Die nachgereichten Unterlagen bezögen sich aber auf andere gleichnamige Produkte mit anderen Artikelnummern und geänderter Gebrauchsanweisung, die Einfluss auf den Anwendungsbereich haben. Bereits die CE- Kennzeichnung sei schon zum Zeitpunkt des Verwaltungsverfahrens nicht ausreichend gewesen. Die Wirkung des § 139 Abs. 6 Satz 2 SGB V liefe leer, wenn zwar der Beklagte nach der Ausschlussfrist vorgelegte Unterlagen nicht mehr berücksichtigen dürfte, der Hersteller im Gerichtsverfahren aber die fehlenden Unterlagen nachreichen könnte. Der Hersteller werde dadurch auch nicht benachteiligt, weil er jederzeit einen neuen Antrag mit neuen vollständigen Unterlagen stellen könne.
Zudem entbinde § 139 Abs. 5 Satz 1 SGB V den Beklagten nicht von der Prüfung der Funktionstauglichkeit und Sicherheit nach Abs. 4. Zwar gelte der Nachweis durch die CE-Kennzeichnung grundsätzlich als erbracht. Der Beklagte müsse sich jedoch von der formalen Rechtmäßigkeit der CE-Kennzeichnung anhand der Konformitätserklärung überzeugen und aus begründetem Anlass zusätzliche Prüfungen vornehmen. Insoweit werde die Funktionstauglichkeit und Sicherheit nur vermutet. Begründete Zweifel haben bereits vor der Änderung bestanden, da die Produktbezeichnung V… links bzw. rechts überhaupt nicht von der Verwaltung sofort vorgelegten Konformitätserklärung erfasst gewesen sei.
Entgegen der Auffassung der Klägerin beziehe sich die Entscheidung des Beigeladenen nur darauf, ob es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handele oder ob die Methode bereits vom Leistungsumfang der GKV umfasst sei. Davon unabhängig sei jedoch die Prüfung nach § 139 Abs. 4 SGB V. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei bezüglich des Nachweises des medizinischen Nutzens der GBA nicht zu beteiligen und Hinblick auf die Aufnahme eines Hilfsmittels lasse sich die Voraussetzung einer Methodenbewertung durch den Beigeladenen nicht ohne Weiteres entnehmen. Der Beklagte ist jedoch der Auffassung, dass der Nachweis des medizinischen Nutzens nicht durch eine Anwenderbeobachtung erbracht werden könne, weil es sich bei dem Produkt nicht um eine Alternative zu der bereits gelisteten Kleinert-Schiene handele. Es weichen sowohl die Konstruktion als auch die Wirkweise des Produkts von der anerkannten Produktart für die Kleinert-Schiene ab. Insbesondere die frühfunktionelle Freigabe der Handgelenksbeweglichkeit bei angelegter Orthese stelle eine wesentliche Abweichung dar. Die Anforderungen an den Nachweis des medizinischen Nutzens müssen durch eine vergleichende Studie erfüllt werden, deren Anforderungen der Beklagte spezifiziert.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Das Gericht hat am 07. März 2022 einen Erörterungstermin im Wege der zeitlichen Bild- und Tonübertragung nach § 110a Sozialgerichtsgesetz (SGG) durchgeführt. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 136 Absatz 2 Satz 1 SGG auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze einschließlich der Anlagen und insbesondere der übersandten Produktunterlagen und Gebrauchsanweisungen und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, da die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis dazu erklärt haben.
Die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Berlin ergibt sich aus § 57a Abs. 4 SGG. Bei der Entscheidung des Beklagten über die Aufnahme eines Hilfsmittels in das HMV handelt es sich um eine Entscheidung auf Bundesebene (vgl. hierzu auch Bockholdt, SGb 2012, 317, 323).
I.
Streitgegenstand ist die Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 14. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Juni 2014 und die Verurteilung des Beklagten zur Eintragung der Orthese V… in das HMV. Diese kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage i. S. d. § 54 Abs. 1 S. 1 SGG ist zulässig (vgl. zur statthaften Klageart: BSG, Urteil vom 30. November 2017, B 3 KR 3/16 R, Rn. 12, juris).
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist, dass mit dem angefochtenen Verwaltungsakt (§ 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>) überhaupt über den im Klageverfahren geltend gemachten (Leistungs-)Anspruch entschieden wurde. Ist dies nicht der Fall, fehlt es bereits an der nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG erforderlichen Klagebefugnis (Urteil des BSG vom 21. September 2010 – B 2 U 25/09 R – juris Rn. 12, 17; Urteil des BSG vom 25. März 2021 – B 1 KR 22/20 R – juris Rn. 9).
Ob über den geltend gemachten Anspruch im angefochtenen Verwaltungsakt entschieden wurde, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei ist Maßstab der Auslegung der „Empfängerhorizont“ eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat (stRspr., z.B. Urteil des BSG vom 17. Dezember 2015 – B 2 U 2/14 R – juris Rn. 12 mwN.).
Der Beklagte hat hier den Antrag der Klägerin auf Eintragung der Orthese V… rechts/links ins HMV mangels ausreichenden Nachweises des medizinischen Nutzens abgelehnt. Er hat die Ablehnungsentscheidung nicht aufgrund fehlender Unterlagen oder wegen Fehlens des Nachweises der Funktionstauglichkeit und Sicherheit getroffen. Damit ist, unabhängig von der Gesetzesänderung des § 139 SGB V, die Sach- und Rechtslage maßgeblich, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung besteht. Etwas Anderes würde nur gelten, wenn der Beklagte zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides der Auffassung gewesen wäre, dass nicht alle Unterlagen vorliegen. Das ist ersichtlich nicht der Fall. Der Beklagte hat Einwendungen bezüglich der Funktionstauglichkeit und Sicherheit, also bezüglich der Konformitätserklärung, erstmals in der Klageerwiderung vom 06. Februar 2015 geltend gemacht. Ob der erforderliche Nachweis durch die (geänderten) Konformitätserklärungen erbracht worden ist, ist damit eine Frage der Begründetheit.
Nach Auffassung der Kammer würde die Klage nur dann unzulässig geworden sein, wenn sich das Hilfsmittel während des Klageverfahrens dergestalt geändert hat, dass ein neuer Antrag notwendig geworden wäre, d. h. wenn nicht mehr die Eintragung der V… links/rechts ins HMV begehrt werden würde. Das wäre dann der Fall, wenn die Änderungen der Artikelnummern, Änderungen der Gebrauchsanweisung, Ergänzungen zum Umgang und Gebrauch und die Änderungen der Konformitätserklärungen erhebliche Änderungen darstellen, die zur Änderung des Hilfsmittels/Medizinprodukts geführt haben.
Hilfsmittel i.S.d. § 33 SGB V sind alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbe-handlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen. Dazu gehören insbesondere Körperersatzstücke und typische orthopädische Hilfsmittel, aber auch Geräte, die den Erfolg einer Heilbehandlung bei Anwendung durch den Versicherten selbst sicherstellen sollen (BSG, Urteil vom 30. Januar 2001, B 3 KR 6/00 R, juris). Maßgeblich ist damit die Zweckbestimmung, die Einsatzbereiche und Indikationen, die die Klägerin mit der Behandlung von Beugesehnen-Verletzungen angegeben hat. Gemessen daran hat sich das Hilfsmittel durch die Änderungen und Ergänzungen der Gebrauchsanweisungen, durch die Änderung der Artikelnummern und durch die Erneuerung der Konformitätserklärung nicht geändert. Die Zweckbestimmung ist immer dieselbe geblieben.
Auch aus den Regelungen der MDR ergibt sich nichts Anderes. Gemäß Artikel 2 Nr. 1 MDR bezeichnet ein Medizinprodukt u.a. einen Gegenstand, der u.a. folgenden spezifischen medizinischen Zweck erfüllen soll: Behandlung von Krankheiten oder Verletzungen; wobei in Nr. 12 als „Zweckbestimmung“ die Verwendung bezeichnet wird, für die ein Produkt entsprechend den Angaben des Herstellers auf der Kennzeichnung, in der Gebrauchsanweisung oder dem Werbe- oder Verkaufsmaterial bzw. den Werbe- oder Verkaufsangaben und seinen Angaben bei der klinischen Bewertung bestimmt ist. D. h. auch nach dieser Definition kommt es entscheidend auf die Zweckbestimmung an.
Als weitere Kriterien zur Prüfung, ob sich das Produkt geändert hat, hat die Kammer die Norm des § 139 Abs. 4 Satz 9 SGB V und die Verfahrensordnung herangezogen. Danach hat der Hersteller vorgenommene Änderungen an Hilfsmitteln, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind, dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen unverzüglich mitzuteilen. Die Regelungen tragen dem Erfordernis der Aktualität des Hilfsmittelverzeichnisses Rechnung. Kommt es bei einem eingetragenen Hilfsmittel zu wesentlichen Änderungen, nämlich bei solchen Anforderungen, die für die Eintragung relevant waren, muss der Hersteller wiederum nachweisen, dass insoweit die Voraussetzungen des Absatzes 4 Satz 1 erfüllt sind (Engelmann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 139 SGB V (Stand: 15.02.2021), Rn. 71). Gemäß C III.3 der Verfahrensordnung des GKV-Spitzenverbandes nach § 139 Absatz 7 SGB V zur Erstellung und Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses und Pflegehilfsmittelverzeichnisses vom 21. Dezember 2017 in der Fassung vom 19. August 2019 sind Änderungen beispielsweise eine Modifikation oder Weiterentwicklung des Produktes oder eine Änderung der Konfiguration. Weiter heißt es, dass, wenn das Produkt erhebliche Veränderungen erfahren hat und dadurch neue Eigenschaften und Merkmale aufweist, es bei nachgewiesener Erfüllung der Anforderungen nach § 139 Absatz 4 SGB V weiterhin im HMV gelistet wird.
Der Gesetz- und Verfahrensordnungsgeber stellt damit auf eine gewisse Erheblichkeit bzw. Wesentlichkeit ab. Gemessen daran, stellen die von dem Beklagten vorgetragenen Änderungen der Artikelnummern (1.), Änderungen der Gebrauchsanweisung, (2.) und die Änderungen der Konformitätserklärungen (3.) keine Änderung des Hilfsmittels dar.
1.
Die Änderungen der Artikelnummern von V…-RE und V…-LI in V…-RE und V…-LI stellen aus Sicht der Kammer lediglich eine logistische Änderung im Rahmen der betriebsinternen Bestandssteuerung der Klägerin dar, die auf keinen Fall zur Änderung des Produkts geführt haben.
2.
Die Ergänzungen der Sicherheitshinweise sowie die Ergänzung bezüglich der empfohlenen Verwendung für Handgelenksumfänge in der Gebrauchsanweisung stellen ebenfalls keine Änderungen am Produkt dar. Durch die Ergänzungen wurde nämlich kein neuer Anwendungsbereich eröffnet und weder die Indikationen noch die Zweckbestimmungen wurden verändert. Zwar ist der Anwendungsbereich in Bezug auf die Handgelenksumfänge eingeschränkt worden; die Behandlung ist jedoch zusätzlich auch ins Ermessen des Arztes gestellt. Wäre das Produkt bereits im HMV gelistet, würden diese Ergänzungen der Gebrauchsanweisung nach Überzeugung der Kammer nicht zu einem Neuantrag führen. Das Fehlen dieser Hinweise war für den Beklagten bei der Ablehnung des Antrags nicht relevant. Diese Hinweise stellen weder eine Modifikation oder Weiterentwicklung des Produktes oder eine Änderung der Konfiguration dar.
3.
Das Produkt der Klägerin hat durchgehend ein CE-Kennzeichen besessen. Die Konformitätserklärung vom 16. Mai 2012, die im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden ist, ist von dem Beklagten nicht bemängelt worden. Sie enthält noch keine Artikelnummer. Die Ablehnung des Beklagten hat ebenfalls keinen Hinweis darauf enthalten, dass die Erklärung nicht ausreichend gewesen sei. Auch hier kann die Kammer nicht erkennen, dass die Ergänzung um Artikelnummern und um die Bezeichnung „universal“ zu einer relevanten Änderung des Produkts geführt hat.
Schließlich ist der Klägerbevollmächtigten zuzustimmen, dass – wenn der Beklagte der Auffassung ist, dass es sich um einen Neuantrag i.S.d. § 139 Abs. 3 SGB V gehandelt hat – er über ihn längst innerhalb der Fristen des § 139 Abs. 6 SGB V hätte bearbeiten und ggf. entscheiden müssen.
II.
Die zulässige Klage ist auch begründet, da der angefochtene Bescheid des Beklagten rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt. Sie hat Anspruch auf Aufnahme des Hilfsmittels V… in das Hilfsmittelverzeichnis gemäß § 139 Abs. 4 S. 1 SGB V, da die Voraussetzungen hierfür erfüllt sind.
Ein Anspruch auf Aufnahme in das Hilfsmittelverzeichnis besteht nach § 139 Abs. 4 SGB V, wenn der Hersteller die Funktionstauglichkeit und Sicherheit, die Erfüllung der Qualitätsanfor-derungen nach § 139 Abs. 2 SGB V und, soweit erforderlich, den medizinischen Nutzen des Hilfsmittels nachgewiesen hat und es mit den für eine ordnungsgemäße Handhabung erforder-lichen Informationen in deutscher Sprache versehen ist. Für Medizinprodukte gilt der Nachweis der Funktionstauglichkeit und der Sicherheit gemäß § 139 Abs. 5 Satz 1 SGB V durch die CE-Kennzeichnung grundsätzlich als erbracht.
1.
Der Nachweis des medizinischen Nutzens ist für die Orthese V… erforderlich, da der Beigeladene mit Schriftsatz vom 10. November 2020 lediglich mitgeteilt hat, dass dem „Einsatz der Orthese V… universal zur frühzeitigen Mobilisation der Beugesehne und des Handgelenks nach Beugesehnenverletzung der Hand keine neue Untersuchungs- oder Behandlungsmethode zugrunde liegt“. Denn damit hat der Beigeladene gerade nicht entschieden, dass die streitgegenständliche Handorthese eine Alternative zu einem herkömmlichen gelisteten Hilfsmittel darstellt und den gleichen therapeutischen Nutzen hat. Er hat nur entschieden, dass die Behandlung nicht neu ist. Denn die Behandlung „nach Kleinert“ stellt lediglich ein Nachbehandlungskonzept bzw. Behandlungsschema nach Beugesehnenverletzungen dar, um zu verhindern, dass während der Heilungsphase bleibende Bewegungsdefizite und ein Wiederabreißen der Sehne auftreten. Die sogenannte Kleinert-Schiene stellt eine dynamische, die Finger überragende Unterarmschiene zur Nachbehandlung von Sehnenverletzungen der Hand dar. Ein am Fingernagel und Verband befestigter Gummizügel ermöglicht die aktive Streckung (bei Fingerbeugesehnenruptur) bzw. Beugung (bei Strecksehnenverletzung) des Fingers bei passiver Rückführung ohne Zugbelastung der Naht. Diese sog. Kleinert-Schienen werden individuell gefertigt und stellen kein Hilfsmittel dar und sind in der Regel auch nicht als Hilfsmittel gelistet. Das Behandlungskonzept, also das Vorgehen zur Handrehabilitation nach Beugesehnen-Verletzungen der Hand an sich, ist unstreitig wissenschaftlich anerkannt. Da es aber kein gelistetes Produkt gibt, welches eine vergleichbare Alternative zur V… ist, ist die Klägerin grundsätzlich verpflichtet, den medizinischen Nutzen nachzuweisen.
2.
Dieser erforderliche Nachweis eines medizinischen Nutzens ist nach Auffassung der Kammer mit der Anwendungsbeobachtung ausreichend erbracht worden, da der Beklagte den Beurteilungsmaßstab hier zu hoch anlegt, indem er klinische Vergleichsstudien fordert.
Das BSG hat in seinem Urteil vom 28. September 2006 (B 3 KR 28/05 R) zur alten Fassung des §139 Abs. 4 SGB V entschieden, dass bei einem Hilfsmittel, welches therapeutischen Zwecken dient, nicht in jedem Fall die Ergebnisse klinischer Prüfungen vorgelegt werden müssen. Geht es nur um eine Alternative zu einem gelisteten herkömmlichen Hilfsmittel oder Verbandmittel, reicht es aus, wenn die Produkte zumindest den gleichen therapeutischen Nutzen (Ruhigstellung, Fixierung, Möglichkeit der Mobilisation) wie die herkömmlicherweise benutzten Produkte (Gipsverband, Orthese, orthopädische Schuhe) aufweisen. Das Gesetz verlangt nur den Nachweis eines „therapeutischen Nutzens“ eines neuen Hilfsmittels, nicht aber einen therapeutischen Zusatznutzen oder Vorteil gegenüber der bisherigen Behandlungsweise. Es ist im Rahmen der Therapiefreiheit eine Frage des Einzelfalls, wie der Arzt eine Verletzung des Versicherten behandelt. Zudem kann sich der Hersteller auf die Vermutung § 139 Abs. 5 SGB V berufen. Mit Blick auf die heute erforderliche CE-Kennzeichnung der Medizinprodukte dürfen die Anforderungen an die im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Herstellers einzureichenden Unterlagen nicht überspannt werden. Absolute Gewissheit ist nicht notwendig. Vielmehr genügt, dass ein so hoher Grad an Wahrscheinlichkeit besteht, dass Zweifel vernünftigerweise nicht mehr geboten sind. Auch soweit Abs. 4 S. 1 seit dem 1. April 2007 ausdrücklich den Nachweis eines medizinischen Nutzens verlangt, kann dem Hersteller nur in Ausnahmefällen ein Vorlegen der Ergebnisse klinischer Prüfungen abgefordert sein. Abs. 4 S. 1 sucht das klarzustellen, indem dort bestimmt wird, dass der medizinische Nutzen nicht in allen Fällen, sondern nur nachgewiesen werden muss, „soweit“ dies „erforderlich“ ist (Lungstras, in Becker/Kingreen, 8. Auflage 2022, SGB V § 139 Rn. 18, beck-online).
Diese Rechtsprechung ist nach Auffassung der Kammer auf den hiesigen Fall übertragbar: D.h. dass der medizinisch anerkannte Nutzen für eine individuell hergestellte Schiene aufgrund eines bereits seit langer Zeit wissenschaftlich anerkannten Behandlungskonzepts zur Behandlung von Beugesehnenverletzungen, auf die Behandlung mit einer vorgefertigten Orthese übertragen werden kann. Dass die Behandlung mit der Orthese V… keine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode i.S.d.§ 135 SGB V darstellt, hat der Beigeladene ausdrücklich entschieden. Er hat dabei die gesamte Behandlung mit der streitigen Orthese, also auch die Möglichkeit der frühfunktionellen Freigabe der Handgelenksbeweglichkeit geprüft. Der Medizinische Dienst des Beklagten (MDS) verkennt aus Sicht der Kammer in seinen Gutachten die Tatsache, dass die Behandlung mit der Orthese gerade nicht zu einer systematischen frühzeitigen Freigabe der Handgelenksbeweglichkeit führt, sondern lediglich im Rahmen der Therapiefreiheit von den Ärzten entschieden werden kann, ob, wann und in welchem Umfang die Freigabe mittels Schlüssels erfolgen kann bzw. soll. Genauso können die Ärzte bei Anwendung anderer (individuell oder handwerklich gefertigter) Orthesen entscheiden, ob, wann und wie welche Handgelenksmobilisierung erfolgen soll.
Da – wie die Beteiligten vortragen – eine Vielzahl von unterschiedlichsten Beugesehnenverletzungen (Art und Weise der Sehnenverletzung, Ort, Umfang), von Operationsmethoden und Nahttechniken (welche, was wurde genäht/ersetzt) und von Nachbehandlungskonzepten mit unterschiedlichen Mobilisierungsmöglichkeiten existieren, stellt sich die Frage, ob eine vom Beklagten geforderte vergleichende Studie überhaupt möglich ist, da es nach dem Verständnis der Kammer die sog. allgemeine „Kleinert-Schiene“ gar nicht gibt. Es gibt das Behandlungskonzept nach Kleinert, welches eine Benutzung einer individuell gefertigten Schiene beinhaltet und welches unstreitig wissenschaftlich anerkannt ist.
Gemessen daran, hat die Klägerin mit den vorgelegten Anwendungsbeobachtungen von Dr. L. ausreichend nachgewiesen, dass ein medizinischer Nutzen der Orthese besteht. Er hat festgestellt, dass sich bei den 35 behandelten Patienten mit der streitigen Orthese keine Änderungen gegenüber der sonst gebräuchlichen und üblichen Kleinert-Schiene ergeben haben. Die erzielten Resultate der Behandlung seien bei allen Patienten mindestens so gut wie bei vergleichbaren Patienten gewesen, die mit der individuell angepassten Schiene behandelt worden seien. Es habe kein Patient noch einmal operiert werden müssen. Es habe keine Behandlung verlängert werden müssen. In keinem Fall habe die Behandlung abgebrochen werden müssen oder sei auf eine individuelle Schiene umgestellt worden.
3.
Die Klägerin hat nach Auffassung der Kammer auch die Funktionstauglichkeit und Sicherheit der Orthese ausreichend nachgewiesen. Nach § 139 Abs. 5 SGB V gilt der Nachweis der Funktionstauglichkeit und der Sicherheit durch die CE-Kennzeichnung grundsätzlich als erbracht. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen vergewissert sich von der formalen Rechtmäßigkeit der CE-Kennzeichnung anhand der Konformitätserklärung und, soweit zutreffend, der Zertifikate der an der Konformitätsbewertung beteiligten Benannten Stelle. Aus begründetem Anlass können zusätzliche Prüfungen vorgenommen und hierfür erforderliche Nachweise verlangt werden.
Die Konformitätserklärungen sind zwar geändert worden. Mit der Konformitätserklärung vom 28. Februar 2019 hat die Klägerin die in der Klageerwiderung vorgetragenen Einwände des Beklagten jedoch berücksichtigt. Die Produkte sind jetzt einzeln mit Artikelnummer konkret aufgeführt und sind eindeutig zuzuordnen. Dass weiterhin eine auf Tatsachen beruhende, ernsthafte Verdachtslage vorliegt, dass die Vorschriften des Medizinprodukterechts nicht beachtet worden sind (vgl. Vossen in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rn. 16, 113. EL Dezember 2021), die eine zusätzliche Prüfung durch den Beklagten erforderlich macht, hat dieser nach Wiederaufnahme des Verfahrens selbst nicht mehr vorgetragen. Der Einwand, dass die Klägerin bereits im Verwaltungsverfahren auf Zweifel an der Erklärung aufmerksam gemacht worden ist, trifft nicht zu. Dies war erstmalig in der Klageerwiderung der Fall. Der Beklagte beschreibt seinen „begründeten Anlass“ mit der Tatsache, dass die konkreten Produktbezeichnungen nicht in der Konformitätserklärung erfasst gewesen seien. Da dies nun nicht mehr der Fall ist und ein anderer Vortrag des Beklagten bezüglich eines begründeten Anlasses nicht erkennbar ist, geht die Kammer nicht davon aus, dass hier Vorschriften des Medizinprodukterechts missachtet worden sind. Die Kammer geht – wie oben ausgeführt – davon aus, dass durch die vorgenommenen Änderungen während des Klageverfahrens keine neuen Produkte entstanden sind, die durch den Beklagten erneut überprüft werden müssten.
Gleiches gilt für die geänderte und ergänzte Gebrauchsanweisung. Die nach Wiederaufnahme des Verfahrens vorgelegte Gebrauchsanweisung enthält neue Sicherheitshinweise und Empfehlungen, aus Sicht der Kammer stellen diese keine Einschränkungen dar. Sie sind klar und deutlich in deutscher Sprache versehen.
Nach allem war der Klage stattzugeben.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da er keinen Antrag gestellt hat (§ 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 3 SGG).