Datum: 13. Juli 2023

Gericht: BGH

Spruchkörper: 1. Zivilsenat

Entscheidungart: Beschluss

Aktenzeichen: I ZR 182/22

ECLI: ECLI:DE:BGH:2023:130723BIZR182.22.0


Vorinstanz: OLG Düsseldorf

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS

I ZR 182/22
Verkündet am:
13. Juli 2023
Hemminger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

 

in dem Rechtsstreit

Gutscheinwerbung
Richtlinie 2001/83/EG Art. 86, Art. 87 Abs. 3; ZPO § 945; AMG § 78 Abs. 1; HWG § 7 Abs. 1; UWG § 4 Nr. 11

 

Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Par-
laments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel
(ABl. L 311 vom 28. November 2001, S. 67 ff.), zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2022/642 des Europäi-
schen Parlaments und des Rates vom 12. April 2022 zur Änderung der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG in
Bezug auf Ausnahmen von bestimmten Verpflichtungen für bestimmte im Vereinigten Königreich bereitgestellte
Humanarzneimittel in Bezug auf Nordirland und in Bezug auf Zypern, Irland und Malta (ABl. L 118 vom 20. April
2022, S. 4), folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

 

1. Unterliegt Werbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem gesamten Wa-
rensortiment einer Apotheke dem Anwendungsbereich der Regelungen zur Werbung für Arznei-
mittel in der Richtlinie 2001/83/EG (Titel VIII und VIIIa, Art. 86 bis 100)?

 

2. Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
Steht es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie
2001/83/EG in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2
Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment
verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Ver-
sandapotheke mit Werbegaben in Gestalt von Gutscheinen über einen Geldbetrag oder einen
prozentualen Rabatt für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte verbietet?

 

3. Weiter für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
Steht es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie
2001/83/EG in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2
Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment
verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Ver-
sandapotheke mit Werbegaben in Gestalt unmittelbar wirkender Preisnachlässe und Zahlungen
gestattet?

 

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. März 2023 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, die Richter Feddersen und Odörfer beschlossen:

 

I. Das Verfahren wird ausgesetzt.

 

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28. November 2001, S. 67 ff.), zuletzt geändert durch die Richtlinie (EU) 2022/642 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. April 2022 zur Änderung der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG in Bezug auf Ausnahmen von bestimmten Verpflichtungen für bestimmte im Vereinigten Königreich bereitgestellte Humanarzneimittel in Bezug auf Nordirland und in Bezug auf Zypern, Irland und Malta (ABl. L 118 vom 20. April 2022, S. 4), folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

 

1. Unterliegt Werbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem gesamten Warensortiment einer Apotheke dem Anwendungsbereich der Regelungen zur Werbung für Arzneimittel in der Richtlinie 2001/83/EG (Titel VIII und VIIIa, Art. 86 bis 100)?

 

2. Für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
Steht es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke mit Werbegaben in Gestalt von Gutscheinen über einen Geldbetrag oder einen prozentua len Rabatt für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte verbietet?

 

3. Weiter für den Fall, dass Frage 1 zu bejahen ist:
Steht es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke mit Werbegaben in Gestalt unmittelbar wirkender Preisnachlässe und Zahlungen gestattet?

 

Gründe:

 

1   A. Die Klägerin ist eine niederländische Versandapotheke, die rezeptfreie und rezeptpflichtige Medikamente im Wege des Versandhandels an Endkunden nach Deutschland liefert.

 

2   Die Beklagte ist die Berufsvertretung der Apotheker im Bezirk Nordrhein.

 

3   Die Klägerin warb seit dem Jahr 2012 mit verschiedenen Rabattaktionen, bei denen Kunden bei dem Bezug von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ein Vorteil in Form eines Barrabatts, eines Gutscheins zur Verrechnung beim Kauf eines anderen Medikaments, eines Hotelgutscheins oder einer Jahresmitgliedschaft beim ADAC versprochen wurde. Die Beklagte sieht diese Werbemaßnahmen als Verstoß gegen die arzneimittelrechtliche Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel an und erwirkte deshalb – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – in den Jahren 2013 bis 2015 folgende fünf einstweilige Unterlassungsverfügungen gegen die Klägerin, die jeweils ordnungsgemäß vollzogen wurden.

 

4   Am 8. Mai 2013 erwirkte die Beklagte eine am 14. Mai 2013 vollzogene einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln (Az. 84 O 90/13) gegen eine Werbung der Klägerin mit den Angaben

 

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wobei die Höhe der versprochenen Prämie sich nach der Komplexität der Erkrankung bzw. dem Preis des rezeptpflichtigen Medikaments richtete (z.B. 2,50 € Prämie für die Einsendung eines Rezepts für ein hormonelles Verhütungsmittel, zwischen 2,50 € und 20 € Prämie für die Einsendung eines Medikaments zur Therapie schwerer chronischer Erkrankungen wie Parkinson). Diese einstweilige Verfügung hob das Landgericht Köln mit Urteil vom 22. März 2017 wegen veränderter Umstände mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache „Deutsche Parkinson Vereinigung“ (EuGH, Urteil vom 19. Oktober 2016 – C-148/15, GRUR 2016, 1312 = WRP 2017, 36) auf.

 

5   Am 26. September 2013 erwirkte die Beklagte eine am 2. Oktober 2013 vollzogene einstweilige Unterlassungsverfügung des Landgerichts Köln (Az. 84 O 220/13) gegen eine Werbung der Klägerin mit den Angaben

 

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6   Am 5. November 2013 erwirkte die Beklagte eine am 21. Januar 2014 vollzogene einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln (Az. 84 O 256/13) gegen eine Werbung der Klägerin mit den Angaben

 

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wobei der Rabatt für die Bestellung verschreibungspflichtiger Medikamente ab 50 € Bestellwert ausgelobt wurde. Diese einstweilige Verfügung hob das Landgericht Köln mit Urteil vom 22. März 2017 wegen veränderter Umstände mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache „Deutsche Parkinson Vereinigung“ auf.

 

7   Am 4. November 2014 erwirkte die Beklagte eine am 30. Dezember 2014 vollzogene einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln (Az. 84 O 208/14) gegen eine Werbung der Klägerin mit den Angaben

 

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für eine nachfolgende Bestellung rezeptfreier Produkte. Diese einstweilige Verfügung hob das Landgericht Köln mit Urteil vom 22. März 2017 wegen veränderter Umstände mit Blick auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Sache „Deutsche Parkinson Vereinigung“ auf.

 

8   Am 29. September 2015 erwirkte die Beklagte eine am 26. Mai 2016 vollzogene einstweilige Verfügung des Landgerichts Köln (Az. 81 O 82/15) für eine Werbung der Klägerin mit den Angaben

 

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wobei der genannte Betrag direkt vom Rechnungsbetrag abgezogen werden sollte. Diese einstweilige Verfügung hob das Landgericht Köln mit rechtskräftigem Urteil vom 21. März 2017 auf.

 

9   Im Rahmen der Vollziehung einiger der einstweiligen Verfügungen wurden auf Antrag der Beklagten hohe Ordnungsgelder gegen die Klägerin verhängt.

 

10   Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz mit der Begründung, die einstweiligen Verfügungen seien von Anfang an ungerechtfertigt gewesen. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union habe in der Sache „Deutsche Parkinson Vereinigung“ (EuGH, GRUR 2016, 1312) entschieden, dass die im Arzneimittelgesetz vorgesehene Preisbindung für die Abgabe von verschreibungspflichtigen Humanarzneimitteln gegen die Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) verstoße, da sie sich auf die Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Apotheken stärker auswirke als auf die Abgabe solcher Arzneimittel durch im Inland ansässige Apotheken.

 

11   Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin ihre Klage erweitert und – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – beantragt,

 

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz für den Zeitraum bis
einschließlich 30. September 2016 in Höhe von mindestens 18.476.648,12 € zu-
züglich Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
dem 3. Oktober 2015 zu zahlen;

 

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren, über
den mit dem Klageantrag 1 bezifferten Mindestschaden hinausgehenden Scha-
den zu ersetzen, der der Klägerin bis einschließlich 31. Dezember 2016 infolge
der Vollziehung der einstweiligen Verfügungen des Landgerichts Köln zu den Ak-
tenzeichen 84 O 90/13, 84 O 220/13, 84 O 256/13, 84 O 208/14 und 81 O 82/15
entstanden ist und noch entstehen wird.

 

12   Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Klägerin im Wege eines Grund- und Teilurteils das Urteil des Landgerichts abgeändert, den Klageantrag 1 für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt, dem Klageantrag 2 im vorbezeichneten Umfang stattgegeben und die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

 

13   B. Der Erfolg der Revision hängt von der Auslegung des Unionsrechts – hier: der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel – ab. Vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Bei der Prüfung, ob ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 945 ZPO (dazu nachfolgend I) besteht, kommt eine Berücksichtigung der Arzneimittelpreisbindung zu Lasten der Klägerin im Streitfall nicht in Betracht (dazu nachfolgend II), sehr wohl aber (hinsichtlich dreier angegriffener Werbemaßnahmen) die Annahme von Verstößen der Klägerin gegen das deutsche Heilmittelwerberecht (dazu nachfolgend III), sofern dies einer richtlinienkonformen Auslegung entspricht (dazu nachfolgend IV).

 

14   I. Nach § 945 Fall 1 ZPO ist die Partei, die eine von Anfang an ungerechtfertigte einstweilige Verfügung erwirkt hat, verpflichtet, dem Gegner den Schaden zu ersetzen, der ihm aus deren Vollziehung entsteht. Die Vorschrift des § 945 ZPO beruht auf dem Rechtsgedanken, dass die Vollstreckung aus einem noch nicht endgültigen Vollstreckungstitel auf Gefahr des Gläubigers erfolgt (BGH, Urteil vom 19. November 2015 – I ZR 109/14, GRUR 2016, 720 [juris Rn. 11] = WRP 2016, 854 – Hot Sox, mwN).

 

15   Der Anspruch nach § 945 ZPO scheidet zum einen aus, wenn sich die einstweilige Verfügung als von Anfang an gerechtfertigt, also zu Recht ergangen erweist. Zum anderen besteht dieser Anspruch mangels zu ersetzenden Schadens nicht, wenn der durch die Vollziehung einer ungerechtfertigt ergangenen Verfügung Betroffene ohnehin materiell-rechtlich verpflichtet ist, das ihm durch die einstweilige Verfügung untersagte Verhalten zu unterlassen (BGH, GRUR 2016, 720 [juris Rn. 38] – Hot Sox, mwN).

 

16   II. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die ergangenen einstweiligen Verfügungen seien nicht unter dem Gesichtspunkt eines in der beanstandeten Auslobung von Prämien und Gutscheinen liegenden Verstoßes gegen § 4 Nr. 11 UWG aF in Verbindung mit der in § 78 Abs. 1 Satz 1 und 4 AMG vorgesehenen Arzneimittelpreisbindung von Anfang an gerechtfertigt.

 

17   1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Arzneimittelpreisbindung nicht zu Lasten der Klägerin angewendet werden darf, weil sich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union die in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG aF vorgesehene Festlegung einheitlicher Abgabepreise auf die Klägerin – eine in einem anderen Mitgliedstaat als der Bundesrepublik Deutschland ansässige Apotheke – stärker auswirkt als auf im deutschen Hoheitsgebiet ansässige Apotheken, wodurch der Marktzugang für Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten stärker behindert werden könnte als für inländische Erzeugnisse, so dass es sich um einen Verstoß gegen Art. 34 AEUV handelt (vgl. EuGH, GRUR 2016, 1312 [juris Rn. 26 f.] – Deutsche Parkinson Vereinigung).

 

18   2. Für eine erneute Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung der Frage, ob die in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG aF vorgesehene Arzneimittelpreisbindung erforderlich ist, um die gebotene flächendeckende und gleichmäßige Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln sicherzustellen und das finanzielle Gleichgewicht des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung abzusichern (dazu BGH, Urteil vom 24. November 2016 – I ZR 163/15, GRUR 2017, 635 [juris Rn. 49] = WRP 2017, 694 – Freunde werben Freunde), besteht kein Anlass. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein im Jahr 2018 an die Bundesregierung gerichtetes Auskunftsersuchen des Oberlandesgerichts München bisher unbeantwortet geblieben. Die Beklagte hat keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass ein weiteres Auskunftsersuchen erfolgversprechend wäre. Eine weitere Aufhellung der der mittlerweile außer Kraft getretenen Regelung in § 78 Abs. 1 Satz 4 AMG zugrundeliegenden wirtschaftlichen, statistischen und gesundheitspolitischen Datenlage ist nicht zu erwarten.

 

19 III. Bei Anwendung des deutschen Heilmittelwerberechts – hier: § 7 Abs. 1 HWG – erweisen sich drei der fünf durch die einstweiligen Verfügungen verbotenen Werbemaßnahmen als unzulässig, so dass insoweit ein Schadensersatzanspruch gemäß § 945 ZPO ausscheidet.

 

20   1. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren oder als Angehöriger der Fachkreise anzunehmen, es sei denn, es liegt einer der in § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 HWG gesetzlich geregelten Ausnahmefälle vor. Von dem Verbot ausgenommen sind danach – was hier allein in Betracht kommt – geringwertige Kleinigkeiten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG) und Zuwendungen oder Werbegaben in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG). Allerdings bleiben bei beiden Ausnahmen Zuwendungen oder sonstige Werbegaben für Arzneimittel unzulässig, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes – oder des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (so die seit dem 15. Dezember 2020 geltenden Fassungen) – gelten (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 2, § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 2 HWG).

 

21   2. Das Berufungsgericht hat zutreffend zugrunde gelegt, dass das in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG geregelte grundsätzliche Verbot des Anbietens, Ankündigens und Gewährens von Werbegaben eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG aF (jetzt: § 3a UWG) darstellt, weil es dem Gesundheitsschutz der Verbraucher dient. Es soll durch eine weitgehende Eindämmung der
Wertreklame im Bereich der Heilmittel der abstrakten Gefahr begegnen, dass Verbraucher bei der Entscheidung, ob und gegebenenfalls welche Heilmittel sie in Anspruch nehmen, durch die Aussicht auf Werbegaben unsachlich beeinflusst werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 18. November 2021 – I ZR 214/18, GRUR 2022, 391 [juris Rn. 26] = WRP 2022, 434 – Gewinnspielwerbung II, mwN).

 

22   3. Mit Recht hat das Berufungsgericht die angegriffenen Werbemaßnahmen als produktbezogen und damit vom Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes erfasst angesehen.

 

23   a) Einbezogen in den Geltungsbereich dieses Gesetzes ist nur die produktbezogene Werbung (Produkt- und Absatzwerbung) und nicht die allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens- und Imagewerbung), durch die ohne Bezugnahme auf bestimmte Arzneimittel für Ansehen und Leistungsfähigkeit des Unternehmens allgemein geworben wird. Die Beantwortung der für die Anwendbarkeit des Heilmittelwerbegesetzes entscheidenden Frage, ob die zu beurteilende Werbung Absatz- oder Firmenwerbung ist, hängt maßgeblich davon ab, ob nach dem Gesamterscheinungsbild der Werbung die Darstellung des Unternehmens oder aber die Anpreisung bestimmter oder zumindest individualisierbarer Produkte im Vordergrund steht. Auch eine Werbung für das gesamte Warensortiment der Apotheke kann produktbezogen sein. Es gibt keinen überzeugenden Grund, den vom Gesetzgeber im Bereich der Heilmittelwerbung als grundsätzlich unerwünscht angesehenen Anreiz einer Wertreklame gerade dann hinzunehmen, wenn diese Form der Reklame für eine besonders große Zahl von Heilmitteln eingesetzt wird (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2022, 391 [juris Rn. 35] – Gewinnspielwerbung II, mwN).

 

24   b) Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angegriffenen Werbemaßnahmen hätten entweder auf das gesamte Angebot rezeptpflichtiger Medikamente oder sogar auf das gesamte Sortiment der Klägerin gezielt und seien deshalb produktbezogen, wendet sich die Revision nicht.

 

25  4. Mit Recht hat das Berufungsgericht die in den angegriffenen Werbemaßnahmen ausgelobten Prämien und Gutscheine als Werbegaben im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG eingeordnet.

 

26   Der Begriff der Werbegabe in § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ist mit Blick auf den Zweck der dortigen Regelung, durch eine weitgehende Eindämmung von Werbegeschenken im Heilmittelbereich der abstrakten Gefahr einer hiervon ausgehenden unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, weit auszulegen. Er erfasst grundsätzlich jede aus der Sicht des Empfängers nicht berechnete geldwerte
Vergünstigung. Eine Werbegabe setzt demnach voraus, dass die Zuwendung aus der Sicht des Empfängers unentgeltlich gewährt wird; er muss diese als ein Geschenk ansehen (vgl. BGH, GRUR 2022, 391 [juris Rn. 41] – Gewinnspielwerbung II, mwN). Die im Streitfall zu beurteilenden Prämien und Gutscheine erfüllen diese Voraussetzung.

 

27   5. Bei den in den angegriffenen Werbemaßnahmen ausgelobten Prämien und Gutscheinen handelt es sich nicht um geringwertige Kleinigkeiten im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG. Ihr Wert über schreitet jeweils die für Publikumswerbung bei 1 € liegende Schwelle der Geringwertigkeit (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – I ZR 213/13, GRUR 2015, 813 [juris Rn. 21] = WRP 2015, 966 – Fahrdienst zur Augenklinik, mwN.

 

28   6. Bei den in den angegriffenen Werbemaßnahmen ausgelobten Prämien und Gutscheinen handelt es sich nur teilweise um Zuwendungen oder Werbegaben, die im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden.

 

29   a) Eine in einem bestimmten Geldbetrag gewährte Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG ist die Zuwendung einer zahlenmäßig bestimmten Geldsumme, über deren Höhe infolge ihrer Bestimmtheit beim Publikum kein Zweifel aufkommen kann (BeckOK.HWG/ Doepner/Reese, 9. Edition [Stand 1. September 2022], § 7 Rn. 601). So verhält es sich etwa bei der Auslobung einer Bankgutschrift in Höhe von 10 € für die Werbung eines Neukunden (vgl. BGH, GRUR 2017, 635 [juris Rn. 35] – Freunde werben Freunde), eines „Sofort-Bonus“, der mit der gesetzlichen Zuzahlung verrechnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2014 – I ZR 79/10, GRUR 2014, 593 [juris Rn. 2] = WRP 2014, 692 – Sofort-Bonus), der Rückvergütung des Kaufpreises für ein Medizinprodukt (OLG Hamburg, GRUR-RR 2019, 486 [juris Rn. 33]; OLG Köln, WRP 2022, 368 [juris Rn. 62]) oder eines „Beauty Bonus“ in Höhe von 50 € für die Anrechnung auf die Erstbehandlung mit einem Medizinprodukt (LG Hamburg, PharmR 2011, 487 [juris Rn. 39]).

 

30   b) Mit einem „auf eine bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG sind Preisnachlässe in prozentualer oder sonst auf einfache Weise zu ermittelnder Höhe gemeint, die auf den Normalpreis gewährt werden (BGH, GRUR 2022, 391 [juris Rn. 48] – Gewinnspielwerbung II; Fritzsche in Spickhoff, Medizinrecht,
7. Aufl., § 7 HWG Rn. 25; Mand in Prütting, Medizinrecht, 6. Aufl., § 7 HWG Rn. 68). Ein solcher Fall liegt etwa bei der Auslobung eines Rabatts in Höhe von 10 % für die Werbung eines Neukunden vor (vgl. BGH, GRUR 2017, 635 [juris Rn. 56] – Freunde werben Freunde) oder bei der Verrechnung auf eine in prozentualer Höhe gesetzlich vorgeschriebene Zuzahlung für medizinische Hilfsmittel (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2016 – I ZR 143/15, GRUR 2017, 641 [juris Rn. 41] = WRP 2017, 536 – Zuzahlungsverzicht bei Hilfsmitteln).

 

31   c) Hingegen erfüllt die Werbung mit einem geldwerten Vorteil, der nicht in einem bestimmten oder bestimmbaren Geldbetrag, sondern als Sachzuwendung – etwa von Gebrauchsgegenständen oder Dienstleistungen – gewährt wird, nicht den Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2009 – I ZR 99/07, GRUR 2009, 1082 [juris Rn. 17] = WRP 2009, 1385 – DeguSmiles & more; BeckOK.HWG/Doepner/Reese aaO § 7 Rn. 601; Mand in Prütting aaO § 7 HWG Rn. 70). Dies gilt auch, wenn der Wert des Vorteils mit einem bestimmten Geldbetrag angegeben wird. Andernfalls könnte sich der Werbende bei einer Sachzuwendung allein durch die Angabe des Werts dem Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG entziehen, der für die Zulässigkeit einer Sachzuwendung deren Geringwertigkeit verlangt, und in den Genuss der Regelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG gelangen (vgl. OLG Hamm, WRP 2022, 633 [juris Rn. 42]).

 

32   d) Die Frage, ob die Gewährung betragsmäßig oder mit einer Prozentangabe bezeichneter Rabattgutscheine für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte (etwa: Rabattgutschein für den nächsten Einkauf beim Werbenden im Wert von 5 €; Gutschein über 10 % Rabatt bei einem Online-Marktplatz) dem Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG unterfällt, wird in Rechtsprechung und Literatur nicht einheitlich beantwortet. Sie ist nach Auffassung des Senats zu verneinen.

 

33   aa) Teils wird angenommen, ein Geldrabatt im Sinne dieser Vorschrift sei allein ein solcher, der den Preis des beworbenen Heilmittels herabsetze (einen Geldrabatt im Falle eines Einkaufsgutscheins für einen Online-Marktplatz verneinend OLG Köln, WRP 2016, 1388; Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 6. Aufl., § 7 Rn. 282; Wesser, A&R 2019, 109, 113 f.). Grund für die Zulassung von Geldrabatten sei die Annahme, dass bei der Werbung mit einer Preisermäßigung keine unsachliche Beeinflussung vorliege, weil die Preiswürdigkeit im Leistungswettbewerb ein maßgebliches Merkmal für die Verbraucherentscheidung darstelle. Damit seien allein Rabatte privilegiert, die sich auf den Preis des Produkts auswirkten. Andernfalls werde das grundsätzliche Zuwendungsverbot des § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG ausgehebelt, weil dann jede geldwerte Werbegabe als zulässiger Geldrabatt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG gelten müsse (vgl. Wesser, A&R 2019, 109, 113 f.).

 

34   bb) Nach anderer Auffassung sind auch auf einen Geldbetrag lautende Gutscheine für den Erwerb weiterer Produkte vom Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a HWG umfasst (OLG Bamberg, WRP 2013, 1641; BeckOK.HWG/Doepner/Reese aaO § 7 Rn. 603; Fritzsche in Spickhoff aaO § 7 HWG Rn. 24; Sosnitza in Sosnitza/Meisterernst (vormals Zipfel/Rathke), Lebensmittelrecht, Stand: 184. Ergänzungslieferung [Stand Juli 2022], § 7 HWG Rn. 32).

 

35   cc) Der Senat hat sich in dieser Frage bisher nicht festgelegt. Soweit er sich in den Entscheidungen „Bonuspunkte“ (BGH, Urteil vom 9. September 2010 – I ZR 98/08, GRUR 2010, 1133 [juris Rn. 20 bis 22] = WRP 2010, 1471) und „UNSER DANKESCHÖN FÜR SIE“ (BGH, Urteil vom 9. September 2010 – I ZR 193/07 GRUR 2010, 1136 [juris Rn. 25] = WRP 2010, 1482) sowie weiteren an diesem Tag ergangenen Entscheidungen (BGH, Urteil vom 9. September 2010 – I ZR 26/09, MPR 2010, 206; Urteil vom 9. September 2010 – I ZR 125/08, MPR 2010, 204) mit der Beurteilung von Einkaufsgutscheinen, Bonuspunkten, Bonus-Talern etc. unter dem Gesichtspunkt des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 HWG befasst hat, diente dies jeweils der Prüfung der Spürbarkeit des geltend gemachten Rechtsbruchs wegen Verstoßes gegen die Arzneimittelpreisbindung; die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. A HWG war nicht entscheidungserheblich. Auch im Urteil des Senats vom 6. Juni 2019 (I ZR 60/18, GRUR 2019, 1078) war allein der Verstoß gegen die Arzneimittelpreisbindung entscheidungserheblich.

 

36   Nach Auffassung des Senats ist der Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG dahin auszulegen, dass ihm allein unmittelbar wirkende Preisnachlässe und Zahlungen, nicht aber auf einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt lautende Gutscheine für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte unterfallen.

 

37   Eine Beschränkung des Ausnahmetatbestands des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG auf unmittelbar wirkende Preisnachlässe und Zahlungen legt schon der Wortlaut der Vorschrift nahe, der verlangt, dass die Zuwendung oder Werbegabe „in einem (…) Geldbetrag (…) gewährt“ wird. Diese Formulierung kann dahingehend verstanden werden, dass ein Geldbetrag ausgezahlt oder zumindest vom Rechnungsbetrag abgezogen wird. Dies ist bei einem Rabattgutschein für zukünftige Erwerbsvorgänge nicht der Fall. Vor allem aber entspricht dieses Verständnis in besonderer Weise dem Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG, im Zusammenhang mit dem Erwerb von Heilmitteln der auch nur abstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Werbeadressaten entgegenzuwirken. Zwar trifft es zu, dass ein Verbraucher über den Wert eines betragsmäßig bezeichneten Gutscheins für einen zukünftigen Einkauf im Bilde ist und deshalb keine Fehleinschätzung des Werts der Werbegabe droht (zu diesem Motiv der Privilegierung von Geldrabatten vgl. BGH, GRUR 2009, 1082 [juris Rn. 9 und 11] – DeguSmiles & more). Soweit durch einen solchen Rabattgutschein ein Anreiz für den Erwerb weiterer Heilmittel geschaffen wird, ist allerdings der weitere Schutzzweck des Heilmittelwerberechts berührt, einer unkritischen Selbstmedikation und einem womöglich gesundheitsgefährdenden Zuviel- und Fehlgebrauch von Heilmitteln entgegenzuwirken (zu diesem Schutzzweck vgl. BeckOK.HWG/Doepner/Reese aaO § 7 Rn. 664 f.; Mand in Prütting aaO § 7 HWG Rn. 3). Durch die Zuordnung von Rabattgutscheinen für zukünftige Erwerbsvorgänge unter den Begriff der Zuwendung oder Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG, die nur als geringwertige Kleinigkeit zulässig sind, wird diesem weiteren Schutzzweck in besonderer Weise Rechnung getragen, weil von geringwertigen Rabattversprechen auch nur eine verminderte Anreizwirkung ausgeht. Mit Blick auf für den Heilmittelerwerb ausgelobte Rabattgutscheine für den Einkauf bei Anbietern anderer Waren vermindert diese Einordnung schon die Gefahr einer unsachlichen Motivation des Erstkaufs von Heilmitteln. Zugleich dient die klare Abgrenzung zwischen Barrabatt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG und (sonstiger) Werbegabe im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 HWG der Rechtssicherheit.

 

38   Soweit der Senat mit Blick auf eine unlautere Anlockwirkung im Sinne des § 1 UWG entschieden hat, dass die in Form eines Einkaufsgutscheins über 10 DM gewährte Vergünstigung sich der Sache nach als ein Preisnachlass beim Wareneinkauf darstellt und der verständige Verbraucher dies erkennt (BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 – I ZR 8/01, GRUR 2003, 1057 [juris Rn. 18] = WRP 2003, 1428 – Einkaufsgutschein), ist diese Bewertung auf das Heilmittelwerberecht, das – wie dargelegt – eine spezifische Schutzrichtung hat, nicht übertragbar.

 

39   e) Legt man die vorstehend dargestellte Auslegung zugrunde, ist nur ein Teil der hier in Rede stehenden Zuwendungen oder Werbegaben nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG zulässig, weil sie in einem bestimmten oder auf bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrag gewährt werden.

 

40   aa) Unzulässig sind die Zuwendungen oder Werbegaben, die Gegenstand der einstweiligen Verfügungen vom 8. Mai 2013 (Az. 84 O 90/13), vom 26. September 2013 (Az. 84 O 220/13) und vom 4. November 2014 (Az. 84 O 208/14) sind.

 

41   (1) Bei der mit einstweiliger Verfügung vom 8. Mai 2013 (Az. 84 O 90/13) verbotenen Werbung mit einer Prämie für die Teilnahme am „Arzneimittel-Check“ der Klägerin von mindestens 2,50 € und bis zu 20 € pro Rezept handelt es sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht um die Auslobung eines bestimmten oder auf eine bestimmte Art zu berechnenden Geldbetrags im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts werden jedenfalls solche Adressaten der Werbung, die am Erwerb von Medikamenten zur Behandlung schwerer chronischer Krankheiten interessiert sind, über die absolute Höhe oder die Berechnung der in Aussicht gestellten Prämie im Unklaren gelassen, weil lediglich eine Bandbreite möglicher Prämienhöhen angegeben ist, ohne die von der Klägerin vorgesehene Berechnungsmethode offenzulegen. Der Schutzzweck der Vorschrift ist berührt, weil mit der Möglichkeit, dass Adressaten der Werbung aufgrund der Angabe einer Bandbreite die Höhe der im Einzelfall gewährten Prämie überschätzen, die Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Werbeadressaten besteht.

 

42   (2) Die mit einstweiliger Verfügung vom 26. September 2013 (Az. 84 O 220/13) verbotene Werbung ist ebenfalls vom Ausnahmetatbestand des § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG nicht erfasst. Eine Sachzuwendung – hier: Hotelgutschein oder beitragsfreie Jahresmitgliedschaft im ADAC – unterfällt, wie dargelegt, diesem Tatbestand auch dann nicht, wenn ihr Wert in einem bestimmten Geldbetrag angegeben wird.

 

43   (3) Die mit einstweiliger Verfügung vom 4. November 2014 (Az. 84 O 208/14) verbotene Werbung mit einem 10 €-Gutschein bei Rezepteinreichung für eine nachfolgende Bestellung rezeptfreier Produkte ist ebenfalls keine nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG erlaubte Werbegabe, weil keine unmittelbar wirkenden Preisnachlässe oder Zahlungen gewährt werden.

 

44   (4) In den vorgenannten Fällen besteht auch die für die Annahme einer Werbegabe erforderliche abstrakte Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung des Werbeadressaten. Diese teleologische Einschränkung des Begriffs der Werbegabe gilt nicht nur für die Fachkreiswerbung, sondern auch für die Publikumswerbung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 20. Februar 2020 – I ZR 214/18, GRUR 2020, 659 [juris Rn. 24] = WRP 2020, 722 – Gewinnspielwerbung I, mwN). Das Berufungsgericht hat sich dazu nicht ausdrücklich geäußert. Allerdings bilden die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen eine ausreichende Grundlage für die Beurteilung durch den Senat. Im Streitfall besteht eine Gefahr der unsachlichen Beeinflussung, soweit – wie in den vorgenannten Fällen – mit auf einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt lautende Gutscheinen für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte geworben wird. Hierdurch wird der Schutzzweck des § 7 Abs. 1 HWG berührt, einer unkritischen Selbstmedikation und einem womöglich gesundheitsgefährdenden Zuviel- und Fehlgebrauch von Heilmitteln entgegenzuwirken (dazu bereits vorstehend Rn. 37).

 

45   bb) Zulässig sind die Zuwendungen oder Werbegaben, die Gegenstand der einstweiligen Verfügungen vom 5. November 2013 (Az. 84 O 256/13) und vom 29. September 2015 (Az. 81 O 82/15) sind.

 

46   Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die einstweiligen Verfügungen vom 5. November 2013 (Az. 84 O 256/13; Verbot eines als Fahrtkostenerstattung bezeichneten Rabatts in Höhe von 10 € bei Rezepteinsendung), und vom 29. September 2015 (Az. 81 O 82/15; Verbot einer Werbung mit einem Rabatt in Höhe von 5 € bei Rezeptbestellung) seien anfänglich ungerechtfertigt.

 

47   Es handelt sich in beiden Fällen um nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG zulässige Geldrabatte, die unmittelbar den Rechnungsbetrag der Bestellung reduzieren. Sie verstoßen zwar gegen § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 2 HWG, weil sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Es handelt sich um verschreibungspflichtige Arzneimittel, die der Arzneimittelpreisbindung unterliegen. Durch die Gewährung eines den Rechnungsbetrag der Bestellung unmittelbar reduzierenden Geldrabatts wird gegen die Arzneimittelpreisbindung verstoßen. Das Berufungsgericht hat jedoch zu Recht angenommen, dass dieser Vorbehalt der Einhaltung der Arzneimittelpreisbindung gegen die Klägerin nicht angewendet werden darf (dazu bereits vorstehend Rn. 17).

 

48   IV. Bei der Anwendung des § 7 HWG stellen sich im Streitfall klärungsbedürftige Fragen des Unionsrechts.

 

49   1. Die Regelungen des Heilmittelwerbegesetzes zur Arzneimittelwerbung sind im Hinblick auf die Regelungen der Richtlinie 2001/83/EG unionsrechtskonform auszulegen. Im Anwendungsbereich dieser Richtlinie ist die Arzneimittelwerbung vollständig harmonisiert worden (EuGH, Urteil vom 8. November 2007 – C-374/05, Slg. 2007, I-9517 = GRUR 2008, 267 [juris Rn. 20 bis 39] – Gintec; BGH, GRUR 2020, 659 [juris Rn. 18] – Gewinnspielwerbung I, mwN).

 

50   2. Fraglich ist, ob die hier in Rede stehende Werbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem gesamten Warensortiment einer Apotheke in den Anwendungsbereich der Regelungen zur Werbung für Arzneimittel in der Richtlinie 2001/83/EG (Titel VIII und VIIIa, Art. 86 bis 100) fällt (Vorlagefrage 1).

 

51   a) Die im Streitfall beanstandete Werbung betrifft den Bezug nicht näher bestimmter Arzneimittel aus dem gesamten Warensortiment, wobei die von der Beklagten geführten Angriffe die darin enthaltene Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel zum Gegenstand haben.

 

52   b) Es ist klärungsbedürftig, ob die Werbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem gesamten Warensortiment einer Apotheke in den Anwendungsbereich der Regelungen zur Werbung für Arzneimittel in der Richtlinie 2001/83/EG (Titel VIII und VIIIa, Art. 86 bis 100) fällt.

 

53   aa) Wie der Gerichtshof der Europäischen Union zunächst entschieden hat, regelt Titel VIII der Richtlinie 2001/83/EG, der die Werbung für Arzneimittel betrifft, die Werbung für bestimmte Arzneimittel (Inhalt der Werbebotschaft, Ausgestaltung der Werbung), aber weder die Werbung für Dienstleistungen des Online-Verkaufs von Arzneimitteln noch die Werbung für das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel, das von der betreffenden Apotheke angeboten wird (EuGH, Urteil vom 1. Oktober 2020 – C-649/18, GRUR 2020, 1219 [juris Rn. 49 und 50] = WRP 2020, 1410 – A [Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln]; Urteil vom 15. Juli 2021 – C-190/20, GRUR 2021, 1325 [juris Rn. 20 bis 22] = WRP 2021, 1277 – DocMorris).

 

54   bb) Nunmehr hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden, dass ungeachtet der Ausführungen in Randnummer 50 des Urteils vom 1. Oktober 2020 (GRUR 2020, 1219 – A [Werbung und Online-Verkauf von Arzneimitteln]) und in Randnummer 20 des Urteils vom 15. Juli 2021 (GRUR 2021, 1325 – DocMorris) der Anwendungsbereich der Bestimmungen der Richtlinie 2001/83/EG über die Werbung für Arzneimittel nicht auf Werbung für ein bestimmtes Arzneimittel beschränkt ist (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 2022 – C-530/20, GRUR 2023, 268 [juris Rn. 51] = WRP 2023, 161 – EUROAPTIEKA). Aus einer grammatikalischen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 86 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG ergibt sich, dass der Begriff „Werbung für Arzneimittel“ im Sinne dieser Bestimmung alle Maßnahmen zur Information, zur Marktuntersuchung und zur Schaffung von Anreizen mit dem Ziel, die Verschreibung, die Abgabe, den Verkauf oder den Verbrauch eines bestimmten Arzneimittels oder unbestimmter Arzneimittel zu fördern, erfasst (EuGH, GRUR 2023, 268 [juris Rn. 47] – EUROAPTIEKA).

 

55   cc) Möglicherweise ist in einer Werbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel allein eine – nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht von der Richtlinie 2001/83/EG erfasste – Werbung für Dienstleistungen des Verkaufs und keine Werbung für Arzneimittel zu sehen, weil sich der Patient im Falle einer solchen Werbung nicht mehr für das – bereits verschriebene – Arzneimittel, sondern nur noch für eine Apotheke entscheiden kann und soll.

 

56   3. Für den Fall, dass die vorliegend betroffene Werbung für den Bezug verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem gesamten Warensortiment einer Apotheke in den Anwendungsbereich der Werberegelungen der Richtlinie 2001/83/EG fällt, stellen sich zwei weitere Fragen zur Richtlinienkonformität der Auslegung des § 7 Abs. 1 HWG.

 

57   a) Zum einen stellt sich die Frage, ob es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG in Einklang steht, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke mit Werbegaben in Gestalt von Gutscheinen über einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte verbietet (Vorlagefrage 2).

 

58   aa) Der Senat ist der Auffassung, dass eine solche Auslegung mit den genannten Vorschriften der Richtlinie in Einklang steht.

 

59   Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass Art. 87 Abs. 3 und Art. 90 der Richtlinie 2001/83/EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Vorschrift nicht entgegenstehen, die es verbietet, in die Öffentlichkeitswerbung für nicht verschreibungspflichtige und nicht erstattungsfähige Arzneimittel Informationen aufzunehmen, die den Kauf von Arzneimitteln fördern, indem die Notwendigkeit dieses Kaufs anhand des Preises der Arzneimittel gerechtfertigt wird, ein Sonderverkauf angekündigt wird oder angegeben wird, dass diese Arzneimittel zusammen mit anderen Arzneimitteln (einschließlich zu einem reduzierten Preis) oder anderen Waren verkauft werden (EuGH, GRUR 2023, 268 [juris Rn. 73] – EUROAPTIEKA). Er hat ausgeführt, dass Verbote, wie sie in der im Ausgangsverfahren fraglichen Vorschrift vorgesehen sind, dem wesentlichen Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entsprechen, da sie die Verbreitung von Werbeelementen verhindern, die die unzweckmäßige und übermäßige Verwendung von Arzneimitteln fördern, die weder verschreibungspflichtig noch erstattungsfähig sind (EuGH, GRUR 2023, 268 [juris Rn. 69] – EURO-APTIEKA). In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof der Europäischen Union darauf hingewiesen, dass diese Werbeelemente nicht auf die Verbreitung rein informativer Angaben ohne jede Werbeabsicht zu solchen Arzneimitteln gerichtet sind, sondern auf die Verbreitung von Inhalten, die den Kauf dieser Arzneimittel fördern sollen, sei es unter Verweis auf ihren Preis, durch einen Sonderverkauf oder einen kombinierten Verkauf zusammen mit anderen Arzneimitteln, gegebenenfalls zu einem reduzierten Preis, oder mit anderen Waren (EuGH, GRUR 2023, 268 [juris Rn. 70] – EUROAPTIEKA).

 

60   Diese Erwägungen dürften erst recht für die Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und grundsätzlich auch für die Öffentlichkeitswerbung einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke gelten.

 

61   bb) Nach Auffassung des Senats verstößt die in der Vorlagefrage beschriebene Auslegung auch nicht gegen die Warenverkehrsfreiheit gemäß Art. 34 AEUV.

 

62   Nationale Bestimmungen, die bestimmte Verkaufsmodalitäten beschränken oder verbieten, sind nicht geeignet, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, sofern diese Bestimmungen für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, und sofern sie den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise berühren. Die Anwendung derartiger Regelungen auf den Verkauf von Erzeugnissen aus einem anderen Mitgliedstaat, die den von diesem Staat aufgestellten Bestimmungen entsprechen, sind nicht geeignet, den Marktzugang für diese Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern als für inländische Erzeugnisse (EuGH, GRUR 2021, 1325 [juris Rn. 35] – DocMorris, mwN). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat Bestimmungen, mit denen namentlich die Möglichkeiten eines Unternehmens, Werbung zu machen, eingeschränkt werden, als „Bestimmungen über Verkaufsmodalitäten“ eingestuft (EuGH, GRUR 2021, 1325 [juris Rn. 36] – DocMorris, mwN).

 

63   Bei der in der Vorlagefrage beschriebenen nationalen Vorschrift handel es sich um eine solche, die unterschiedslos für alle Apotheken gilt, die in Deutschland Arzneimittel verkaufen, unabhängig davon, ob sie im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind, so dass sie den Absatz inländischer und aus anderen Mitgliedstaaten stammender Erzeugnisse rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise berührt.

 

64   cc) Diese Beurteilung steht nach Auffassung des Senats nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union „Deutsche Parkinson Vereinigung“ (GRUR 2016, 1312). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in dem auf Vorlage des Senats ergangenen Urteil „DocMorris“ ausgeführt, dass es bei dem in diesem Fall in Rede stehenden und gleichfalls auf § 7 Abs. 1 Satz 1 HWG gestützten Verbot einer Gewinnspielwerbung – anders als in dem Verfahren, das der Entscheidung „Deutsche Parkinson Vereinigung“ zugrunde lag – nicht um das „absolute Verbot eines Preiswettbewerbs“ gehe. Das Verbot von Gewinnspielen zur Förderung des Verkaufs von Arzneimitteln habe für die Versandapotheken wesentlich geringere Auswirkungen als das absolute Verbot eines Preiswettbewerbs (EuGH, GRUR 2021, 1325 [juris Rn. 44] – DocMorris). Bei dem vorliegend in Rede stehenden Verbot einer Werbung mit Gutscheinen über einen Geldbetrag oder einen prozentualen Rabatt für den nachfolgenden Erwerb weiterer Produkte dürfte es gleichfalls nicht um das absolute Verbot eines Preiswettbewerbs gehen. Damit dürfte allein das Verbot der Werbung mit unmittelbar wirkenden Preisnachlässen gemeint sein.

 

65   b) Zum anderen stellt sich die Frage, ob es mit den Bestimmungen des Titels VIII und insbesondere mit Art. 87 Abs. 3 der Richtlinie 2001/83/EG in Einklang steht, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 7 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 Nr. 2 Teilsatz 1 Buchst. a HWG) dahin ausgelegt wird, dass sie die Werbung für das gesamte Sortiment verschreibungspflichtiger Arzneimittel einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Versandapotheke mit Werbegaben in Gestalt unmittelbar wirkender Preisnachlässe und Zahlungen gestattet (Vorlagefrage 3).

 

66   Nach Auffassung des Senats kann nicht angenommen werden, dass ein Verbot der Werbung mit geldwerten Zuwendungen für verschreibungspflichtige Arzneimittel bereits nach Art. 88 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG gerechtfertigt ist, der – in Übereinstimmung mit Erwägungsgrund 44 dieser Richtlinie – den Mitgliedstaaten auferlegt, die Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel zu untersagen (vgl. BGH, GRUR 2020, 659 [juris Rn. 38] – Gewinnspielwerbung I).

 

67   Auch wenn eine Öffentlichkeitswerbung, mit der – wie im Falle der vorliegend angegriffenen Werbemaßnahmen – allgemein der Absatz von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln durch die Gewährung geldwerter Vorteile gefördert werden soll, eine Öffentlichkeitswerbung für Arzneimittel im Sinne von Art. 86 Abs. 1 erster Spiegelstrich der Richtlinie 2001/83/EG darstellt, handelt es sich nach Auffassung des Senats dabei nicht um eine generell verbotene Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel im Sinne von Art. 88 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/83/EG (vgl. BGH, GRUR 2020, 659 [juris Rn. 39] – Gewinnspielwerbung I).

 

68   Art. 88 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG soll zum Schutz der Gesundheit verhindern, dass durch Werbung in der Öffentlichkeit Anreize dafür geschaffen werden, dass Patienten ihren Arzt bitten, ihnen ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel zu verordnen. Die Preiswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel hat dagegen den Zweck, dass sich ein Patient beim Bezug eines ihm bereits verschriebenen Arzneimittels für eine bestimmte Apotheke entscheidet. Preiswerbung beim Vertrieb verschreibungspflichtiger Arzneimittel ist Bestandteil des Wettbewerbs und wird nicht von Art. 88 Abs. 1 der Richtlinie 2001/83/EG erfasst (vgl. BGH, GRUR 2020, 659 [juris Rn. 40] – Gewinnspielwerbung I).

 

Koch                                                                         Löffler                                                                     Schwonke

Feddersen                                                              Odörfer

 

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf, Entscheidung vom 17.07.2019 – 15 O 436/16 –

OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 03.03.2022 – I-20 U 86/19 –